Corona kratzt an den Reserven der Pensionskassen

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Zürich, 8. Mai 2020 – Die durch die Corona-Pandemie bedingten Turbulenzen der Finanzmärkte treffen auch die Pensionskassen. Dies zeigen die ersten Ergebnisse der von Complementa jährlich durchgeführten Risiko Check-up-Studie. Die Kapitalanlagen der Pensionskassen verbuchten in den ersten vier Monaten eine negative Rendite von -3.9%. Dadurch sinkt der durchschnittliche Deckungsgrad von 107.9% auf 103.0%. Die hinzugewonnenen Deckungsgradpunkte aus dem aussergewöhnlich erfolgreichen Anlagejahr 2019 sind damit bereits fast vollumfänglich aufgebraucht. Das Vorsorgekapital der Arbeitnehmer wurde 2019 mit durchschnittlich 2.2% verzinst. Dieser Wert liegt deutlich über der BVG-Mindestverzinsung von 1.0%. Ein neuer Tiefstwert wird hingegen beim Umwandlungssatz gemessen. Der durchschnittlich angewendete Satz liegt mit 5.53% nochmals um ein Zehntel Prozentpunkt tiefer als im Vorjahr. Für die kommenden Jahre planen die Pensionskassen wegen des weiterhin tiefen Zinsniveaus sowie der steigenden Lebenserwartung weitere Senkungen.

Das allgemeine Zinsniveau bleibt auf sehr tiefem Niveau und stellt für Pensionskassen eine grosse Herausforderung dar. Zehnjährige Bundesanleihen rentieren seit der Aufhebung des Euro-Mindestkurses im Jahr 2015 zumeist im negativen Bereich. Im Jahr 2019 lag die Verzinsung zeitweise bei -1.0%, aktuell liegt der Wert bei -0.5%. Pensionskassen müssen aus diesem Grund sowie der Tatsache, dass die Lebenserwartung der Schweizer Bevölkerung stetig steigt ihre Vorsorgeverpflichtungen höher bewerten. Sie haben jeden vierten Franken, den sie 2019 erwirtschaftet haben, in die Sanierung ihrer Bilanzen investiert.

Pensionskassen setzen auf globalen und breit diversifizierten Anlagemix

Durch das tiefe Zinsniveau wurden in den letzten zehn Jahren Obligationenbestände stark abgebaut. Während 2009 noch über 50% in Festverzinslichen Anlagen oder als Liquidität gehalten wurde, sind es Ende 2019 mit 38% deutlich weniger. Die freiwerdenden Anteile wurden auf Aktien, Immobilien und alternative Anlagen wie Hedge Funds, Private Equity oder Infrastrukturanlagen verteilt. Historische Höchstquoten werden bei Immobilien (20%) und alternativen Anlagen (10%) gemessen. Die Aktienquote lag mit 31% hingegen im historischen Mittel, insbesondere auch deutlich tiefer als etwa im Jahr 2000 vor dem Platzen der Dotcom-Blase.

Fremdwährungsabsicherung aktuell von Vorteil

Jeden zweiten Franken investiert die 2. Säule im Ausland, wobei sie die Währungsrisiken zu einem grossen Teil absichert. Das verbleibende Fremdwährungsrisiko beträgt aktuell nur 15%, wodurch die 2. Säule von der aktuellen Franken-Aufwertung weniger stark getroffen ist als bei vergangenen Aufwertungen. Die Verluste in den ersten vier Monaten von -3.9% können vor dem Hintergrund der Krise als moderat bezeichnet werden, wobei die Streuung zwischen den einzelnen Kassen deutlich höher als in den Vorjahren liegt.

Sollrendite der Pensionskassen wird kleiner

Pensionskassen haben das Vorsorgekapital der Aktiven im Jahr 2019 mit 2.2% verzinst. Die BVG-Mindestverzinsung liegt mit 1.0% deutlich tiefer. Der technische Zinssatz wurde hingegen auf unter 2.0% gesenkt. Ebenfalls weiter reduziert wurde der Umwandlungssatz, wodurch sich die jährlichen Pensionierungsverluste reduzieren.

Complementa schätzt, dass Pensionskassen aktuell eine Rendite von mindestens 2.2% erwirtschaften müssen, um den Deckungsgrad konstant zu halten. Gemäss Complementa können Pensionskassen beim aktuellen Anlagemix auch ungefähr mit dieser Rendite rechnen.

Tieferer Umwandlungssatz für Neurentner

Durch das tiefe Zinsniveau und die steigende Lebenserwartung sind Kassen gezwungen, den Umwandlungssatz zu senken. Mit durchschnittlich 5.53% liegt der Umwandlungssatz 2020 nochmals 0.1 Prozentpunkte tiefer als im Vorjahr. Die Pensionskassen entfernen sich damit weiter vom BVG-Mindestumwandlungssatz von 6.8%, der nach der gescheiterten Rentenreform zwar weiterhin Gültigkeit hat, jedoch weder der gestiegenen Lebenserwartung noch dem veränderten Zinsniveau Rechnung trägt. Der versicherungstechnisch korrekte Umwandlungssatz liegt bei einer langfristigen Renditeannahme von 2.0% bei 4.84%. Ein zu hoch angesetzter Umwandlungssatz führt zu Pensionierungsverlusten, die jüngere Jahrgänge indirekt durch tiefere Verzinsungen bezahlen müssen. Um diese Umverteilung zu reduzieren, haben Pensionskassen für die nächsten fünf Jahre bereits Reduktionen beschlossen, so dass der durchschnittliche Umwandlungssatz bis 2025 mindestens auf 5.26% sinken dürfte.

Mögliche Massnahmen

Soll das künftige Rentenniveau konstant hoch gehalten werden, kommt zwangsläufig die Diskussion über eine Intensivierung des Sparprozesses (das heisst frühere und/oder konstant höhere Beiträge) oder ein späteres Renteneintrittsalter auf. Während Pensionskassenverantwortliche beide dieser Wege als sinnvoll erachten, sieht es bei der Durchsetzbarkeit unterschiedlich aus: Während nur jeder vierte eine Anhebung des Rentenalters als realistisch erachtet, sehen über 90% den Weg über einen intensivierten Sparprozess als politisch durchsetzbar.


Studie

Hier finden Sie weitere Informationen zu unserer Studie Risiko Check-up – Zur aktuellen Lage schweizerischer Pensionskassen.

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