Ein unerwartet positives Jahr für Pensionskassen

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 - Gesamtstudie: Risiko Check-up 2021

Zürich, 7. September 2021 – Obwohl die Corona-Pandemie seit mehr als einem Jahr Gesellschaft und Wirtschaft in Atem hält, konnten die Pensionskassen das vergangene Jahr positiv abschliessen. Dies zeigen die finalen Ergebnisse der von Complementa jährlich durchgeführten Risiko Check-up-Studie. Auch das Jahr 2021 verläuft bisher erfreulich. Die Kapitalanlagen der Pensionskassen verbuchten bis Ende August eine Rendite von 7.1%. Dadurch stieg der durchschnittliche Deckungsgrad von 110.2% auf 116.3% und liegt damit so hoch wie seit 20 Jahren nicht mehr. Das Vorsorgekapital der Arbeitnehmenden wurde 2020 mit durchschnittlich 1.8% verzinst. Dieser Wert liegt deutlich über der BVG-Mindestverzinsung von 1.0%. Ein neuerlicher Tiefstwert wird hingegen beim Umwandlungssatz gemessen. Der durchschnittlich angewendete Satz liegt mit 5.50% nochmals um fast ein Zehntel Prozentpunkt tiefer als im Vorjahr. Für die kommenden Jahre planen die Pensionskassen wegen des tiefen Zinsniveaus sowie der steigenden Lebenserwartung weitere Senkungen des Umwandlungssatzes. Das diesjährige Sonderthema «Das Schweizer Altersvorsorge System – ein Blick über die Grenze» zeigt Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu ausgewählten europäischen Vorsorgesystemen auf. Dabei orten die hiesigen Pensionskassenverantwortlichen vor allem in zwei Bereichen Änderungsbedarf für die Schweiz, nämlich bei der engeren Koppelung zwischen Lebenserwartung und dem Einstieg ins Rentenalter sowie bei der Vereinheitlichung des Rentenalters für Frauen und Männer.

Trotz des jüngsten vorübergehenden Zinsanstiegs verharrt das allgemeine Zinsniveau weiterhin auf sehr tiefem Niveau. Für Pensionskassen stellt dies eine grosse Herausforderung dar. Zehnjährige Eidgenossen rentieren seit der Aufhebung des Euro-Mindestkurses im Jahr 2015 zumeist im negativen Bereich. Im Jahr 2019 lag die Verfallrendite zeitweise bei -1.0%, aktuell liegt der Wert bei -0.35%. Pensionskassen müssen aus diesem Grund sowie der Tatsache, dass die Lebenserwartung der Schweizer Bevölkerung stetig steigt, ihre Vorsorgeverpflichtungen höher bewerten.

Pensionskassen setzen auf globalen und breit diversifizierten Anlagemix

Bedingt durch das tiefe Zinsniveau wurden in den letzten zehn Jahren Obligationenbestände stark abgebaut. Während 2010 noch rund 48% in festverzinslichen Anlagen oder als Liquidität gehalten wurde, waren es Ende 2020 mit 38.7% deutlich weniger. Die freiwerdenden Anteile verteilten sich auf Aktien, ausländische Immobilien und Alternative Anlagen wie Private Equity, Infrastrukturanlagen und Private Debt. Infrastrukturinvestments werden in Zukunft an Attraktivität gewinnen, da sie seit dem 01.10.2020, gemäss gesetzlicher Klassifizierung (BVV2 Artikel 53 und 55), nicht mehr als «Alternative Anlage» eingestuft werden. Dadurch ist es Vorsorgeeinrichtungen erlaubt, bis zu 10% des Gesamtvermögens in Infrastrukturanlagen anzulegen. Die Immobilienquote liegt bereits das dritte Jahr in Folge über 20% (aktuell 20.6%) und Alternative Anlagen schwanken in den letzten Jahren zwischen 9% und 10% (aktuell 9.4%). Die Aktienquote lag per Ende 2020 mit 31.2% nahe dem historischen Mittel. Die Corona-bedingten Markteinbussen liessen im Frühling 2020 den durchschnittlichen Deckungsgrad an die Grenze zur Unterdeckung abgleiten. Umso positiver ist das Ergebnis einzuordnen, dass heimische Pensionskassen per Ende 2020 durchschnittlich 4.5% Rendite verbuchen durften. Dies entspricht der jährlichen Rendite (4.5% annualisiert) für die vergangene Dekade.

Erfreuliches erstes und zweites Quartal 2021 – Unsicherheit bleibt bestehend

Jeden zweiten Franken investiert die 2. Säule im Ausland, wobei sie die Währungsrisiken zu einem grossen Teil absichert. Das verbleibende Fremdwährungsrisiko beträgt aktuell 18.4%. Die Gesamtrendite von 7.1% der ersten acht Monate des neuen Jahres können als erfreulich bezeichnet werden, müssen jedoch vor dem Hintergrund nach wie vor anfälliger Finanzmärke gesehen werden. Inflationsängste und erneut steigende Covid-Fallzahlen sowie die hohe Staatsverschuldung stellen nur einige von verschiedenen Herausforderungen für die Finanzmärkte dar.

Sollrendite sinkt

Pensionskassen haben das Vorsorgekapital der Arbeitnehmenden im Jahr 2020 mit 1.8% verzinst, was deutlich über der vom Bundesrat festgelegten BVG-Mindestverzinsung von 1.0% liegt. Der technische Zinssatz wurde nochmals um 0.1 Prozentpunkte auf 1.8% gesenkt. Somit wurden die Kapitalien der Arbeitnehmer sowie jene der Rentner im vergangenen Jahr gleich verzinst. Ebenfalls weiter gekürzt wurde der Umwandlungssatz, wodurch sich die jährlichen Pensionierungsverluste reduzieren.

Complementa schätzt, dass Pensionskassen aktuell eine Rendite von mindestens 2.1% erwirtschaften müssen, um den Deckungsgrad konstant zu halten. Gemäss Complementa können Pensionskassen beim aktuellen Anlagemix auch ungefähr mit dieser Rendite rechnen.

Tieferer Umwandlungssatz für Neurentner

Durch das tiefe Zinsniveau und die steigende Lebenserwartung sind Kassen gezwungen, den Umwandlungssatz zu senken. Der langjährige Trend setzt sich fort: Mit durchschnittlich 5.50% liegt der Umwandlungssatz 2021 nochmals fast 0.1 Prozentpunkte tiefer als im Vorjahr. Die Pensionskassen entfernen sich damit weiter vom BVG-Mindestumwandlungssatz von 6.8%, der nach der gescheiterten Rentenreform zwar weiterhin Gültigkeit hat, jedoch weder der gestiegenen Lebenserwartung noch dem Zinsniveau Rechnung trägt. Der versicherungstechnisch korrekte Umwandlungssatz liegt bei einem technischen Zins von 1.75% bei 4.77%. Ein zu hoch angesetzter Umwandlungssatz führt zu Pensionierungsverlusten, die jüngere Jahrgänge indirekt durch tiefere Verzinsungen bezahlen müssen. Pensionskassen haben für die nächsten fünf Jahre bereits Reduktionen beschlossen, um dieser Umverteilung entgegen zu wirken. Dadurch dürfte der durchschnittliche Umwandlungssatz bis 2026 auf 5.22% sinken.

Umverteilung deklarieren

Pensionskassenvertreter fordern in unserer Umfrage erneut die Entpolitisierung der Vorsorge. Einzelne Exponenten kommentieren das Aufschieben von Anpassungen wie beispielsweise des Mindestumwandlungssatzes oder des Rentenalters als «Tatbestand extremer Nicht-Nachhaltigkeit» oder gar als schändlich, da politischen Zankereien mitursächlich für den Reformstau seien. Begrüssen würden die Pensionskassenvertreter eine Senkung – oder gar Aufhebung – des Koordinationsabzugs sowie ein früher einsetzender Sparprozess, z. B. ab dem 20. Altersjahr. Drei von vier der Befragten stimmen zu, dass die Umverteilung für jede Vorsorgeeinrichtung, sowohl gemessen als auch ausgewiesen werden sollte und erhoffen sich dadurch Transparenz und eine Förderung des Bewusstseins in der Politik und bei den Wählern. 68% wünschen sich die Abschaffung von Eigenmietwert und Abzugsfähigkeit von Hypothekarzinsen, um Wohneigentümer verstärkt zur Tilgung von Hypotheken zu motivieren. Die dadurch ausgelösten potenziellen Mittelabflüsse aus der 2. Säule könnten theoretisch die Finanzierungsrisiken insgesamt senken.

Skepsis gegenüber 1e-Plänen

Neun von zehn Studienteilnehmer beurteilen das Drei-Säulen-System nach wie vor als zeitgemäss, sehen aber durch den anhaltenden Reformstau den Generationenvertrag bedroht. Lediglich 32% bejahen, dass 1e-Pläne mit der Altersvorsorge und dem Solidaritätsgedanken der 2. Säule vereinbar sind. Ähnlich wird über variable Renten geurteilt. 60% sehen variable Renten zwar grundsätzlich als sinnvoll an, urteilen aber, dass dies zurzeit politisch chancenlos sei, selbst wenn lediglich ein Anteil von 10 oder 20 Prozent an der Gesamtrente variabel ausgestaltet wird. Um die Schweizer Altersvorsorge insgesamt zu stärken, sprechen sich 82% der BVG-Vertreter für eine Förderung der dritten Säule (3a) aus, beispielsweise durch Anhebung der zulässigen Einzahlungen oder mittels Lockerungen der Voraussetzungen. Von letzterem verspricht man sich, auch Hausfrauen, Mütter oder Studenten ohne Erwerbseinkommen – unter Umständen gar rückwirkend – in dieser Säule der Altersvorsorge zu inkludieren. Erfreulicherweise halten dies auch sieben von zehn Pensionskassenverantwortliche für politisch realisierbar.

Rentenalter und Lebenserwartung verknüpfen

Ein Vergleich unseres Vorsorgesystems mit denjenigen der Niederlande, Schweden und Dänemark, welche über eine hochangesehene Altersvorsorge verfügen, sowie der grössten europäischen Volkswirtschaft Deutschland zeigt, dass die Dreiteilung in staatliche, berufliche und private Vorsorge keine Schweizer Besonderheit, sondern zum Standard eines tragfähigen Systems zählt, aber die Bedeutung der einzelnen Säulen variiert. Diese europäischen Nationen haben auch komplexe Vorsorgesysteme und kämpfen ebenfalls mit einer Steigerung der Lebenserwartung ihrer Bevölkerung. Den Vergleichsländern gemein ist, dass das Rentenalter an die Lebenserwartung geknüpft wurde. 71% der Befragten BVG-Vertreter befürworten eine solche Massnahme auch für die Schweiz, wobei die Rente für eine durchschnittliche Bezugsdauer von 20 Jahren (68% Zustimmung) ausgelegt werden soll, was in etwa der aktuellen Lebenserwartung von Männern im Alter 65 entspricht (Frauen: 23 Jahre gem. BFS). Dieser Reformmassnahme steht jedoch entgegen, dass nur einer von fünf Studienteilnehmern glaubt, dies sei im aktuellen politischen Umfeld überhaupt durchsetzbar. Hierfür bräuchte es ein Umdenken in der Gesellschaft, sodass Arbeiten mit 65plus attraktiv und akzeptiert ist. Stattdessen würden neun von zehn der Befragten begrüssen, den Sparprozess in der 2. Säule früher (z. B. ab dem 20. Altersjahr) zu beginnen. Erneut klar betont (94%) wurde durch die Experten zudem, dass für Frau und Mann ein einheitliches Rentenalter gelten solle – die Schweiz kennt als eines von sehr wenigen Ländern noch eine solche Ungleichbehandlung.


Studie

Hier finden Sie weitere Informationen zur Complementa Risiko Check-up Studie.

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