Kommentar zur aktuellen Lage schweizerischer Pensionskassen

Im aktuellen Jahr sahen sich die Finanzmärkte mit zahlreichen Herausforderungen konfrontiert. Neben geopolitischen Spannungen kam es zu einer Rückkehr der Inflation, welche teilweise selbst in entwickelten Märkten zweistellige Werte annahm. Um diesen Inflationsraten Herr zu werden, kam es weltweit (mit wenigen Ausnahmen wie beispielsweise Japan) zu einer deutlichen und teilweise sehr raschen Straffung der Geldpolitik durch die Zentralbanken. Im Jahresverlauf schwächten sich auch die Wachstumserwartungen ab, wobei die Einkaufmanager-Indizes (PMI) im November vielerorts unter die Wachstumsschwelle von 50 Punkten sanken. Die Inflationsraten sind inzwischen zwar rückläufig, aber nach wie vor auf erhöhten Niveaus.

Die Vielzahl an Herausforderungen spiegelt sich auch in den Anlagerenditen der Pensionskassen wider. Bis Ende November verzeichneten Schweizer Pensionskassen durchschnittlich eine Rendite von -7.2%. Diese negativen Renditen haben deutliche Spuren beim Deckungsgrad hinterlassen. Im Schnitt ist der Deckungsgrad von Anfang Jahr bei 115.3% auf 105.2% per Ende November gesunken. Es erweist sich klar als Vorteil, dass Pensionskassen in den Vorjahren Reserven geäufnet haben und entsprechend mit einem Polster ins aktuelle Jahr gestartet sind. Bei einzelnen Kassen dürften die Wertschwankungsreserven durch die aktuellen Marktbewegungen aber aufgebraucht worden sein. Wir schätzen, dass aktuell fast 10% der Pensionskassen in Unterdeckung sind. Ende Vorjahr lag dieser Wert noch bei 2.4%.

Das laufende Jahr ist insofern besonders, als dass sich wegen den tieferen Wachstumserwartungen und der restriktiveren Geldpolitik sowohl Aktien als auch festverzinsliche Anlagen negativ entwickelt haben. Durch die steigenden Zinsen fielen die Verluste auf den Obligationen teilweise fast gleich hoch aus, wie auf den Aktienbeständen. Es gab zwar auch in der Vergangenheit Jahre, in denen sowohl Aktien als auch Bonds gleichzeitig negativ rentierten, das Ausmass wie es sich aktuell präsentiert ist jedoch eine historische Seltenheit. In einem derartigen Umfeld gestaltet sich ein Rebalancing herausfordernd und Diversifikationseffekte der Aktien und Bonds greifen nicht.

Der Schweizer Aktienmarkt (gemessen am SPI) entwickelte sich bis Ende November mit -13.7% deutlich negativ. Bei den Aktien Welt (MSCI World AC) war eine negative Rendite von -11.3% zu verzeichnen, wobei hier für einen Schweizer Investor die Dollar-Aufwertung die Verluste etwas abfederte. Bei den Obligationen in Schweizer Franken waren 2022 deutliche Verluste zu verzeichnen, wodurch eine Rendite von -9.8% resultierte. Die Obligationen in Fremdwährung (Währungsgesichert) lagen mit -12.4% gar noch tiefer. Auch kotierte Schweizer Immobilienfonds blieben 2022 nicht von den Marktverwerfungen verschont. Die Immobilienfonds hatten einen deutlichen Agio-Zerfall zu verzeichnen, wodurch bis November eine Rendite von -16.4% zu Buche schlug.

Diese Renditezahlen beinhalten gerade bei den Aktien bereits eine Erholungsbewegung, welche sich im Oktober und November ereignete. Somit konnten sich die Märkte und entsprechend auch die Deckungsgrade etwas von den Tiefstständen per Ende Q3 erholen.

Als Stabilisatoren im aktuellen Jahr erwiesen sich NAV-basierte Anlagen. So rentierten die Immobilien Schweiz (NAV-basiert, KGAST) bis November mit fast 4.5%. Auch bei verschiedenen Alternativen Anlagen waren die Renditen positiv bzw. weniger negativ als bei traditionellen Anlagen. Die NAV-Bewertung bewirkte hier gewisse Glättungseffekte, gleichzeitig weisen Immobilien und gewisse Alternative Anlagen wie Infrastruktur auch Charakteristiken auf, die zu einem Inflationsschutz beitragen. Zusätzlich sind gerade Schweizer Wohnimmobilien und Core Infrastrukturanlagen auch tendenziell wenig konjunktursensitiv. Diesen Vorteilen steht die strukturelle Illiquidität dieser Anlagen gegenüber. Entsprechend sollten Anleger bei der Allokation zu illiquiden Anlageklassen neben Rendite-/Risikocharakteristika der jeweiligen Investitionen auch die eigenen Liquiditätsbedürfnisse im Auge behalten.

Bei den Währungen zeigt sich ein zweigeteiltes Bild. Die starke Aufwertung des US-Dollars gegenüber den meisten Währungen springt ins Auge. Gegenüber dem Schweizer Franken war eine Aufwertung von 4.6% zu beobachten. Die anderen Hauptwährungen entwickelten sich aus verschiedenen Gründen gegenüber dem Franken negativ. So fällt der japanische Yen mit einer Abwertung von -13.7% auf. Hierin spiegelt sich das Festhalten an der lockeren Geldpolitik, in einem Umfeld, wo Nationalbanken weltweit ihre Zinsen erhöhten. Auch das Pfund wertete sich gegenüber dem Franken deutlich ab (-8.1%). Hierbei waren insbesondere hohe Inflationsraten, die Folgen des Brexits und die Verwerfungen auf dem englischen Bondmarkt belastende Faktoren. Der Euro wertet sich gegenüber dem Franken ebenfalls ab, seit Jahresbeginn ist eine Abwertung von -5.3% zu verzeichnen.

Die Fremdwährungsquote der Schweizer Pensionskassen lag in den letzten Jahren zwischen 18% und 19%. Vergleicht man dies mit dem Anteil Auslandanlagen von knapp 50%, so wird ersichtlich, dass Schweizer Vorsorgeeinrichtungen jeweils rund zwei Drittel ihres Währungsrisiko absichern. In Bezug auf den US-Dollar ist dies aktuell aufgrund der aktuell hohen Zinsdifferenz jedoch mit hohen Kosten verbunden.

Hält man sich die Marktbewegungen im Q4 2022 vor Augen so wird klar, dass es zentral ist, eine strategische Vermögensallokation jeweils auf die eigene Risikofähigkeit abzustimmen und so in der Lage zu sein, in einer Krise die Erholung abwarten zu können. Zur Veranschaulichung – Investoren, die an der Anlagestrategie festhalten konnten und die Aktienquote nicht senken mussten, profitierten im Oktober und November von einer Erholungsbewegung der Märkte (gemessen am MSCI World AC), was die Verluste von -19.7% per Ende September auf -11.3% per Ende November reduzierte. Weitere Marktverwerfungen sind zwar nicht ausgeschlossen, aber diese Kursbewegungen zeigen deutlich auf, wie mit einer zyklischen Anlagepolitik Rendite vergeben wird.

Die Strategie wird im Rahmen von periodischen Asset- und Liability-Studien sorgfältig bestimmt. Dazu gehören auch Stresstests und die systematische Analyse der Entwicklungen unter extremen Marktbedingungen. Die erlittenen Verluste sind schmerzhaft, liegen bisher aber im Rahmen der Erwartungen. Übereilte Anpassungen sind verfehlt, nichtsdestotrotz muss stets auch der Einzelfall beurteilt werden. Die massiven Veränderungen der globalen Leitzinsen zeigen aber auch eindrücklich, dass eine einmal gewählte strategische Vermögensallokation jeweils periodisch überprüft werden sollte. Das aktuell nach wie vor volatile Umfeld zeigt auch die Bedeutung eines angemessenen Risikomanagements auf.

Hier können Sie den Kommentar in einer PDF-Version herunterladen.

Autoren: Andreas Rothacher & Ueli Sutter

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