Indexkonzentration
Bereits im Jahr 2023 fielen die «Magnificient Seven» (die Aktien von Apple, Amazon, Alphabet, Nvidia, Meta, Microsoft und Tesla) durch ihre hohe Performance und ihr zunehmendes Gewicht in verschiedenen Referenzindizes auf. Im vergangenen Jahr 2024 hat sich diese Thematik noch einmal deutlich verschärft. Bereits im vergangenen Jahr haben wir einen Blick auf verschiedene Aktienindizes geworfen, so war per Ende Januar 2024 nicht nur die hohe Konzentration im S&P 500 Index auffällig, sondern auch jene von anderen Indizes. Die Verschärfung dieser Entwicklung im weiteren Jahresverlauf haben wir zum Anlass genommen, die Konzentrationsrisiken verschiedener Indizes darzustellen und mit dem Vorjahr zu vergleichen.
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Die Tabelle zeigt klar, dass nicht nur beim S&P 500 Index weiterhin eine hohe Konzentration der Indexschwergewichte besteht, sondern auch bei anderen Indizes. Bei den US-Aktien hat sich das Klumpenrisiko durch die starke Performance der grossen Tech-Titel weiter verschärft. Erwähnenswert ist, dass der Anstieg dieser Unternehmen nicht unbegründet ist und die einzelnen Firmen einen beträchtlichen Umsatz und eine hohe Profitabilität aufweisen. Insbesondere konnten sie die gesteckten Ziele immer wieder übertreffen (Die Bewertungsniveaus zwischen den Magnificient Seven unterscheiden sich teilweise erheblich. Alphabet bspw. weist ein deutlich tieferes P/E Multiple als Tesla aus). Die Top 10 Titel machen mittlerweile rund 25% der Gesamtmarktkapitalisierung im MSCI World aus (Vorjahr rund 21%). Dementsprechend verschärfte sich die Problematik auch im MSCI ACWI und im S&P 500. Der europäische Index MSCI Europe und der schweizerische Aktienindex SPI TR verzeichnen hingegen einen Rückgang der Indexkonzentration.
Mit dem Erstarken Chinas (v.a. im September 2024) und der ausserordentlich starken Performance in Taiwan hat sich auch das Klumpenrisiko in den Emerging Markets verstärkt, in welchen die Top 10 Titel rund 27% ausmachen. Das Index-Schwergewicht Taiwan Semiconductors trägt dazu allein knapp 11% bei (Vorjahr rund 7%). Die Entwicklung von TMSC über die letzten 12 Monate zeigt die deutliche globale Marktführerschaft des Unternehmens im Bereich der Halbleiterfertigung, die eine entscheidende Rolle für Anwendungen im Bereich künstlicher Intelligenz und High-Performance-Computing spielt. Mit weiteren technologischen Fortschritten im Bereich KI kurz- und mittelfristig, könnte sich das Klumpenrisiko weiter erhöhen.
Im Gegensatz dazu zeigt die Entwicklung von Nvidia zwischen Dezember 2024 und Januar 2025 auf, wie dynamisch sich diese Konzentrationen entwickeln können. Mit dem Auftauchen von DeepSeek aus China geriet die Nvidia-Aktie unter Druck und verlor innerhalb eines Monats über 0.6% im Index (-14% der Marktkapitalisierung). Diese Dynamik lässt sich auch über einen längeren Zeitraum beobachten. Seit Ende 2015 gab es erhebliche Veränderungen innerhalb der Top 10 des MSCI World. So hat beispielsweise Wells Fargo in diesem Zeitraum rund 75% seines Indexgewichts verloren. Auf der anderen Seite gibt es Unternehmen wie Nvidia, welche ihr Gewicht in diesem Zeitraum vervielfachen konnten.
In Europa und der Schweiz hat sich das Klumpenrisiko über 12 Monate aufgrund der eher tiefen Renditen einiger Large Caps reduziert (Europa vor allem Novo Nordisk/Nestlé, Schweiz vor allem Nestlé). Trotz der Abnahme der Indexkonzentration im Swiss Performance Index bleibt die Indexkonzentration im Quervergleich mit Abstand am höchsten. Hier machen die Indexschwergewichte Nestlé, Novartis und Roche zusammen rund 36% (Vorjahr 42%) des SPI-Index aus. Die Top 10 Titel machen weiterhin knapp zwei Drittel der gesamten Marktkapitalisierung des Index aus. Nach 2023 zeigte sich auch über die letzten 12 Monate das Risiko einer solchen Konzentration. Das Schwergewicht Nestlé verzeichnete eine Performance von -23% und belastete damit den Gesamtindex mit rund drei Prozentpunkten.
Hier muss allerdings darauf hingewiesen werden, dass der S&P 500 oder der MSCI World sehr grosse Märkte abbilden, welche breit diversifiziert sind. Bei Länderindizes für die Schweiz, Dänemark oder den Niederlanden, in welchen nur wenige global agierende Grosskonzerne gelistet sind, nimmt ein solches Unternehmen schnell einen grossen Anteil an der Marktkapitalisierung des Index ein. Insbesondere für Euro-Investoren kann dies bedeuten, dass sie sich eher auf einen breiteren europäischen Index als auf einen einzelnen Länderindex fokussieren sollten.
Wie können institutionelle Investoren reagieren?
Welche Massnahmen und Möglichkeiten haben Investoren, um der Titelkonzentration in Aktienindizes entgegenzuwirken beziehungsweise wie soll mit der Indexkonzentration umgegangen werden? Wir haben nachfolgend verschiedene Möglichkeiten und Ansätze exemplarisch aufgeführt und erläutert.
Einzeltitelexposure im Kontext des Gesamtportfolios betrachten
Die oben aufgeführten Werte erscheinen auf den ersten Blick hoch. Allerdings investieren die meisten institutionellen Investoren neben Aktien in diverse andere Anlageklassen. Apple weist im MSCI World ein Indexgewicht von rund 5.0% auf. Ein Investor, welcher strategisch eine Aktien-Welt-Quote von 20% definiert hat und diese passiv umsetzt, würde somit auf Gesamtportfolioebene ein Exposure von rund 1.0% gegenüber Apple-Aktien aufweisen. Würde dieser Titel im Kurs um 10% fallen, so entspräche dies einem negativen Performance-Beitrag von rund -0.1% auf die Gesamtrendite.
Das Exposure gegenüber Einzeltiteln ist nicht nur auf Ebene der Aktienallokation, sondern auch im Kontext des Gesamtportfolios zu betrachten. Auf Ebene des Gesamtportfolios gilt es zusätzlich das Exposure gegenüber den jeweiligen Unternehmensanleihen zu berücksichtigen, wobei deren Volatilität vor allem im Vergleich zu Aktien tendenziell wesentlich geringer ist (insbesondere bei Emittenten mit hohem Rating).
Investoren sollten sich der Index-Zusammensetzung bewusst sein
Die bei der Strategieformulierung definierten Benchmarks stellen das jeweils vorhandene Opportunitäten-Set einer Anlageklasse dar. Auch passive Investoren sollten sich regelmässig mit der Indexzusammensetzung der gewählten Benchmarks und Index-Fonds auseinandersetzen. Periodisch geführte Diskussionen sollen dazu beitragen, dass sich die Anlageverantwortlichen der Veränderungen der Index-Zusammensetzung und -eigenschaften sowie allfälliger Konzentrationstendenzen bewusst sind. In der Folge sollte dann diskutiert werden, ob man mit der aktuellen Indexzusammensetzung komfortabel ist und welche Möglichkeiten bestehen, allfälligen Konzentrationsrisiken zu begegnen. Allenfalls bietet es sich an, einen externen Berater hinzuzuziehen, der zusätzliche Inputs und Perspektiven aufzeigen kann. Auch zusätzliche Ausbildungssequenzen innerhalb des Gremiums können die Diskussion auf ein höheres Niveau heben.
Diversifikation in verschiedene Aktienmärkte
Eine weitere Möglichkeit, die Portfolioallokation in Bezug auf die Indexschwergewichte zu mitigieren, kann die Diversifikation in weitere Aktienmärkte bieten. Dabei verändert sich nicht nur die Titelzusammensetzung, sondern vor allem auch die Sektorengewichte, Style-Exposures sowie unter Umständen auch die Marktkapitalisierung und als Folge die Rendite-/Risikoeigenschaften.
Ein Schweizer Investor könnte beispielsweise sein Portfolio Aktien Schweiz mit einer Allokation im Small und Mid Cap Index (SPI Extra TR) ergänzen. Das Gewicht der Top drei Titel beträgt hier rund 15%. Gleichzeitig würde ein solches Investment zu einer Veränderung der Sektorallokation (u.a. tieferer Anteil des Gesundheitssektors und höherer Anteil von Industrietiteln) sowie einer Erhöhung der Konjunktursensitivität führen. Die Anlageverantwortlichen sollten vorgängig ein Bewusstsein für die quantitativen und qualitativen Veränderung der Anlagecharakteristik der Aktienallokation entwickeln.
Diversifikation über verschiedene Anlageklassen
Institutionelle Investoren sind gut beraten, neben den traditionellen Anlagen wie Aktien und Obligationen auch weitere Anlageklassen wie Immobilien und Alternative Anlagen in ihrer strategischen Vermögensallokation zu berücksichtigen. Dabei gilt es, neben den abweichenden Rendite-/Risiko-Eigenschaften, den Gebühren, der höheren Komplexität und gegebenenfalls auch der Illiquidität Rechnung zu tragen. Unter Umständen ist es notwendig, dass sich Anlageverantwortliche das Wissen zu neuen Anlageklassen zuerst aneignen oder die Hilfe externer Spezialisten, wie z.B. eines unabhängigen Investment Consultants in Anspruch nehmen, bevor ein Exposure in einer völlig neuen Anlageklasse aufgebaut wird. Es ist auch darauf hinzuweisen, dass der Zugang zu Alternativen Anlagen nicht allen institutionellen Investoren in gleichem Masse gegeben ist. Dies kann beispielsweise auf regulatorische Einschränkungen, Liquiditätspräferenzen oder Grössenrestriktionen (u.a. Mindestanlagesumme) zurückzuführen sein.
Einsatz eines Bandbreitenkonzeptes und diszipliniertes Rebalancing durchführen
Der geschickte Einsatz eines Bandbreitenkonzepts kann zusätzlich helfen, im richtigen Moment Gewinne mitzunehmen. Ein Rebalancing trägt dazu bei, dass sich die effektive Allokation nahe an der definierten Anlagestrategie und deren Rendite-/Risikoeigenschaften bewegt. In Bezug auf die Indexkonzentration würde dies bedeuten, dass keine zu grossen Übergewichte in konzentrierten Anlagekategorien eingegangen werden.
Engere Bandbreiten führen in der Regel zu einem frühen Ende der Dynamik/Momentum einer Anlageklasse. Die Ausgestaltung ist somit ein Balanceakt zwischen der Partizipation am Marktmomentum und dem Risikomanagement.
Einsatz von aktiven Managern evaluieren
Je nach Aktienmarkt kann es Sinn machen, das Portfolio mit einem oder mehreren aktiven Managern zu ergänzen (Core-Satellite-Ansatz). Dabei sind neben dem erwarteten Tracking Error auch das Manager-Selektionsrisiko, die höheren Kosten sowie die zu erwartende Nettoperformance zu berücksichtigen. Anlageverantwortliche sollten bei der Evaluierung von aktiven Managern auch das Diversifikationspotential eines Produktes anhand von Korrelationsanalysen und Portfolioholdings sorgfältig abwägen. Andernfalls hilft die Beimischung eines zusätzlichen Managers nicht, die Titelkonzentration innerhalb einer Anlagekategorie zu reduzieren.
Diversifikation darf nicht Selbstzweck sein
Es erscheint uns wichtig, darauf hinzuweisen, dass Diversifikation nicht um ihrer selbst Willen forciert werden sollte. Die Beifügung zusätzlicher Anlageklassen und die Veränderung der Titelgewichtung einer Aktienanlage sollten das Potential haben, das Portfoliorisiko zu senken oder das Renditepotential zu erhöhen (oder eine Kombination aus beiden Elementen).
Zusammenfassung
Institutionelle Investoren sind gut beraten, sich periodisch mit der Zusammensetzung ihrer Portfolios auseinanderzusetzen und ein Bewusstsein für die Zusammensetzung der definierten Benchmarks zu entwickeln. Dies gilt auch für Investoren, die verschiedene Marktsegmente passiv umsetzen. Portfoliogewichte innerhalb des Index sind dynamisch und können sich über die Zeit erheblich verändern. Dies lässt sich salopp wie folgt zusammenfassen: «Passiv investieren bedeutet eben nicht, eine Anlage zu kaufen und dann wegzuschauen.» Es ist zielführend, Gegenparteirisiken jeweils im Gesamtportfoliokontext zu betrachten.
Eine periodische Überprüfung der Anlagestrategie mittels einer Asset-Only- oder ALM-Studie kann dazu beitragen, das eigene Portfolio auch langfristig auf Kurs zu halten und die gesetzten Anlageziele zu erreichen. Ein sophistiziertes Reporting kann den Überwachungsprozess hinsichtlich der Konzentrationsrisiken zusätzlich zielführend unterstützen.
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Autoren
Marco Zimmmermann (Investment-Analyst) und Frank Sikora (Senior Investment-Consultant/Controller)