Schweizer Vorsorgeeinrichtungen im neuen Zinsumfeld: Ab Ende 2021 kam es weltweit zu einem deutlichen Anstieg des Zinsniveaus. Wie gehen die Schweizer Pensionskassen mit diesem neuen Umfeld um, und welche Anpassungen der Anlagestrategien sind zu beobachten? Wo sehen die Pensionskassen die Schwierigkeiten bei der Implementierung einer neuen Anlagestrategie?
Lesen Sie hier die PDF-Version aus der Schweizer Personalvorsorge (10-24).
Die Verfallsrenditen 10-jähriger Schweizer Staatsanleihen lagen ab 2011 für rund ein Jahrzehnt unter 1%. In der Folge wurden die festverzinslichen Anlagen zugunsten von Immobilien und alternativen Anlagen deutlich reduziert.
2022 und teilweise auch 2023 kam es zu einem deutlichen Anstieg der Zinsen. Dieses neue Umfeld veranlasst verschiedene Pensionskassen dazu, eine ALM-Studie durchzuführen. Die folgenden Ausführungen basieren auf der diesjährigen Umfrage zum Sonderthema der Pensionskassenstudie von Complementa, an der 189 Pensionskassenvertreter teilgenommen haben.
Herausforderung bei Implementierung einer neuen Anlagestrategie
Eine Anlagestrategie gilt es nicht nur zu definieren, sondern auch umzusetzen. Vor diesem Hintergrund wollten wir von den befragten Pensionskassenverantwortlichen wissen, wo sie die Herausforderungen bei der Umsetzung neuer Anlagestrategien sehen.
Dabei wurden die Transaktionskosten von mehr als drei Viertel der Befragten als Herausforderung genannt. Bei den Schweizer Immobilien-Anlagestiftungen sollten auch Rückgabeabschläge erwähnt werden. Der Zeitaufwand spielt zudem bei mehr als der Hälfte der Befragten eine Rolle. Neben der Durchführung der Studie selbst und den damit einhergehenden Diskussionen ist auch der Aufwand für die nachgelagerte Produktselektion relevant. Zwei Drittel der Befragten heben die Rücknahmefristen bei Anlagegefässen als grosse Herausforderung bei der Implementierung hervor. Bei längeren Rücknahmefristen kann sich die Umschichtung des Portfolios deutlich verzögern.
Ferner gilt es zu beachten, dass das Tagesgeschäft trotz laufendem ALM-Prozess weiterläuft. Der Strategieprozess kann aus Sicht von zwei Fünfteln der Umfrageteilnehmenden auch mit anderen Projekten und Pendenzen kollidieren. Das Fehlen von anlageklassenspezifischem Know-how wird von der Mehrheit der Befragten jedoch nicht als wesentliche Herausforderung bei der Implementierung gesehen.
Umschichtungen von Pensionskassenportfolios
Wir wollten von den befragten Pensionskassen wissen, ob sie im Zusammenhang mit den höheren Verfallsrenditen planen, die Obligationenquote (in Anlagequalität «Investment Grade») wieder zu erhöhen, was jedoch von 85% der Befragten verneint wurde. Anzumerken ist, dass vereinzelte Pensionskassen diese Aufstockungen bereits vorgenommen haben.
Bei den Fremdwährungsobligationen trüben aktuell die hohen Absicherungskosten (u.a. auch wegen der momentan inversen Zinskurve) den Investment Case. Die Absicherungsproblematik hat auch dazu beigetragen, dass bei jenen Pensionskassen, die eine Erhöhung planen, eine leichte Präferenz für Frankenobligationen besteht. Innerhalb der Kategorie Fremdwährungsobligationen werden Unternehmensanleihen klar bevorzugt. Gemischte Anleihen in Fremdwährung (Global Aggregate) und Staatsanleihen in Fremdwährung werden hingegen nur von einer Minderheit für Aufstockungen in Betracht gezogen. Bei Staatsanleihen mag neben den im Quervergleich tiefen Verfallsrenditen (nach Absicherungskosten) auch die Verschuldungssituation den Appetit auf Zukäufe hemmen.
Immobilien sind weiterhin ein wichtiger Bestandteil im Portfolio von Schweizer Pensionskassen. Zurzeit liegt ihr Anteil bei 22.9 %. In der Vergangenheit hatten viele Vorsorgeeinrichtungen Mühe, die festgelegten Zielallokationen zu erreichen, vor allem im Bereich der nicht-kotierten Anlagen.
Haben Pensionskassen seit Anfang 2023 bei den Schweizer Immobilienanlagestiftungen wesentliche Veränderungen beschlossen? 70% der Befragten verneinen dies.1 11% der Umfrageteilnehmenden haben die Anzahl Investments in Schweizer Immobilien-Anlagestiftungen reduziert, am häufigsten wurde diese Veränderung mit einer Anpassung der strategischen Immobilienquote begründet. Auch die enttäuschende Performance einzelner Anlagegefässe und der Abbau von Kleinstpositionen zur Reduktion des Überwachungsaufwandes waren für diese Entscheidung ausschlaggebend.
8% der Umfrageteilnehmenden gaben an, die Anzahl der Anlagestiftungen erhöht zu haben. Diesen Pensionskassen kam in den letzten Monaten zugute, dass viele Kapitalerhöhungen von Anlagestiftungen nicht mehr überzeichnet sind. Verschiedene Umfrageteilnehmer erhöhten die Zahl der Anlagestiftungen auch aus Diversifikationsüberlegungen (u. a. Gefässe, Sektoren, Geografie, Manager).
Komplexität von Schweizer PK-Portfolios
Neben den genannten Umschichtungen von Bond- und Immobilienportfolios wurden auch noch einige Fragen zu weiteren Portfolioveränderungen gestellt. Die Verantwortlichen wurden dabei zu den allgemeinen Portfolioveränderungen der letzten zwei Jahre befragt. Die Mehrheit gab an, dass die Zahl der Anlageklassen in der Strategie sowie auch die Zahl der Umsetzungen (z.B. Fondsprodukte oder Mandate) in den letzten zwei Jahren unverändert blieben. Basierend auf diesen Zahlen waren in den letzten zwei Jahren im Schnitt keine wesentlichen Vereinfachungen der Anlagestrategien und der verwendeten Umsetzungen zu beobachten.
Bedachtes Vorgehen
Pensionskassen setzen sich mit dem veränderten Zinsumfeld auseinander, wie sie es auch in Zeiten von Negativzinsen getan haben, agieren dabei jedoch mit Bedacht. Unsere Umfrage zeigt, dass Pensionskassen bei der Abwägung von Strategievarianten neben den Rendite- und Risikocharakteristika auch die Implementierung und die damit verbundenen Herausforderungen in die Strategiediskussion einfliessen lassen. Allfällige Anpassungen und Umsetzungsvarianten werden im Kontext der jeweiligen Vor- und Nachteile sorgfältig abgewogen. Vor dem Hintergrund der Implementierung wurden insbesondere die Transaktionskosten und Rücknahmefristen als relevante Herausforderungen hervorgehoben.
Das Zinsumfeld beschäftigt die Pensionskassen, hat aber die strategischen Ausrichtungen auf breiter Front noch nicht grundlegend verändert. Man sollte bedenken, dass es sich bei der Anlagestrategie um die langfristige Ausrichtung der Anlagen handelt. Zusätzlich ist auch zu berücksichtigen, dass gerade bei illiquiden Anlagen Anpassungen wegen Zeichnungs- und Rücknahmefristen meist nur mit Verzögerung erfolgen können.
Lesen Sie hier die PDF-Version aus der Schweizer Personalvorsorge (10-24).
Take Aways
- Transaktionskosten, Rücknahmefristen von Anlagegefässen und Zeitaufwand werden als grösste Herausforderungen bei der Implementierung einer neuen SAA gesehen.
- Die Mehrheit der Pensionskassen plant keine Aufstockung der Obligationenquote.
- Seit dem Ende des Negativzinsumfeldes ist (noch) keine Komplexitätsreduktion der PK-Portfolios zu beobachten.
Autoren
Andreas Rothacher & Oliver Gmünder