Keine Angst vor der Inflation

Die Inflation hat sich 2022 zurückgemeldet. Davon sind auch Pensionskassen betroffen. Anhand eines Modells wird aufgezeigt, wie sich unterschiedliche Inflationswerte und Zinsniveaus auf die Destinatäre und die Pensionskassen selbst auswirken und was zu beachten ist.

Hier können Sie den Artikel aus der Schweizer Personalvorsorge (08-23) herunterladen.

Die Konsumentenpreise (LIK) stiegen im Jahr 2022 um 2.8 %. In den ersten fünf Monaten 2023 war ein weiterer Anstieg um 1.8% zu beobachten. Andere Industrienationen hatten vor allem im vergangenen Jahr mit Werten zu kämpfen, die teilweise nahe am zweistelligen Bereich waren. Die Schweiz steht somit vergleichsweise gut da.

Die höhere Teuerung wirkt sich aber auf den realen Wert der Ersparnisse und Renten aus. Entsprechend stehen Institutionen wie Pensionskassen besonders im Fokus. Die arbeitende Bevölkerung erhält durch potenzielle Lohnerhöhungen einen gewissen Ausgleich, um die gestiegenen Lebenskosten stemmen zu können. Rentner hingegen haben auf ihrem Pensionskassenvermögen einen Umwandlungssatz, der ihnen eine lebenslange Rente in nominal gleichbleibender Höhe garantiert.

Einen automatischen Teuerungsausgleich bei den Altersrenten kennen Pensionskassen grundsätzlich nicht, sondern das oberste Organ entscheidet jährlich entsprechend den finanziellen Möglichkeiten (Art. 36 Abs. 2 BVG).

Generell sind Rentenerhöhungen mit zusätzlichen Kosten verbunden oder anders ausgesprochen: Werden höhere Renten ausbezahlt, fehlt das Kapital an anderer Stelle.

Wir zeigen in der Folge anhand vonvier Szenarien, was mögliche Konsequenzen unter verschiedenen Annahmen zu Inflation und Zinsniveau für Aktivversicherte, Rentner und die Pensionskasse selbst sind (das verwendete Modell wird in der Textbox erklärt). Die Szenarien bzw. deren Resultate werden in der Tabelle aufgezeigt.

Mit den Simulationen wird aufgezeigt, wie die Anspruchsgruppen betroffen sind und in welche Richtung sich verschiedene Kennzahlen über einen Zeitraum von fünf Jahren unter den Modellannahmen bewegen.

Reserveaufbau ist möglich

Die finanzielle Lage der Pensionskasse, definiert über den Deckungsgrad nach BVV2, verbessert sich bei allen Szenarien, da die erwartete Rendite die Sollrendite übersteigt. In Szenario 1 und 3 ist der Anstieg am grössten.

In Szenario 1 wird angenommen, dass keine Inflation vorherrscht und die Zinsen entsprechend tief sind. In Szenario 3 hingegen wird von hoher Inflation bei tiefen Zinsen ausgegangen. Die höheren nominellen Verzinsungen und Rentenerhöhungen (aufgrund der höheren Renditeerwartungen) stehen einem tiefen technischen Zins gegenüber. In beiden Fällen ergibt sich ein hohes Verhältnis zwischen erwarteter Rendite und Sollrendite, wodurch die Pensionskasse in der Lage ist, Schwankungsreserven aufzubauen.

Betrachtet man den Deckungsgradaufbau sowohl nach BVV2 als auch ökonomisch in Szenario 2 und 4, so ist zu sehen, dass dieser trotz des höheren Zinsniveaus und höherer erwarteter Rendite tiefer ausfällt als in den anderen beiden Szenarien. Dies ist auf die Anpassung der Leistungen und die damit steigende Sollrendite zurückzuführen. Demgegenüber stehen im Modell in Szenario 2 und 4 aufgrund des höheren technischen Zinssatzes höhere Ausgangsdeckungsgrade. Dabei sind potenzielle Anlageverluste auf der Aktivseite aufgrund steigender Zinsen nicht mitberücksichtigt. So haben Pensionskassen 2022 auch aufgrund des gestiegenen Zinsniveaus Verluste von durchschnittlich fast 9% erlitten.

Reale Verzinsungen

Für die Aktivversicherten sind bei zwei von vier Szenarien sowohl die nominale als auch die reale Verzinsung positiv. Fällt dieser Betrag tiefer aus, fehlt der Anteil des «dritten Beitragszahlers» und das Leistungsziel wird nicht erreicht. Sobald höhere Inflationswerte vorherrschen, sinkt die reale Verzinsung deutlich. Das Worst-Case-Szenario für Aktivversicherte sind hohe Inflationswerte bei tiefem Zinsniveau. Hier wird die reale Verzinsung schnell negativ. Sofern die Zinsen zumindest teilweise mit der Inflation steigen, ist die nominale Verzinsung zwar hoch, real gibt es aber nur einen geringen bzw. keinen Kapitalzuwachs.

Wertverlust der Renten

Da die Renten zum Zeitpunkt der Pensionierung in nominaler Höhe festgelegt werden, haben die Rentenbeziehenden immer einen realen Verlust der Rente, sofern nicht eine volle Kompensation der Inflation ausbezahlt wird. Bei Rentenbeziehenden, deren Kapital mit einem hohen Umwandlungssatz gewandelt wurde, ergibt sich rückwirkend betrachtet ein gewisser Ausgleich. Dank den nominalen Garantien können die höheren Rentenversprechen nachfinanziert werden.

Die reale Rendite ist entscheidend

In den Szenarien sind die verschiedenen Anspruchsgruppen unterschiedlich betroffen. Die Deckungsgradentwicklung bei der Pensionskasse hängt zum einen davon ab, wie hoch die Gewinne auf der Aktivseite sind, und zum anderen davon, wie stark die Kosten auf der Passivseite durch Leistungserhöhungen und Zinskosten steigen.

Das Zinsniveau hat mittlerweile wieder deutlich in den positiven Bereich gedreht. Die Sollrendite lässt sich dadurch einfacher bzw. mit weniger Anlagerisiken erwirtschaften. Um real keine Leistungseinbussen zu verzeichnen, muss trotzdem dieselbe reale Rendite erwirtschaftet werden. Entsprechend wäre eine systematische Reduktion der Anlagerisiken aufgrund des höheren Zinsniveaus kontraproduktiv.

Dadurch muss auch das vollkommene Matching von Assets und Liabilities kritisch betrachtet werden, das aufgrund der hohen Zinssensitivität auf der Passivseite zu hohen Anteilen von festverzinslichen Anlagen und langfristig zu tieferen Anlagerenditen führt. Überdies hilft ein Matching im Inflationsszenario nur dann, wenn die realen Leistungen reduziert werden, was nicht im Interesse der Destinatäre sein kann.

Kurzfristiger Inflationsanstieg sollte verkraftbar sein

Die durchschnittliche jährliche Inflation in der Schweiz lag in den letzten 20 Jahren bei knapp 0.5 %. Aktivversicherte und Rentenbeziehende mit Ausnahme der Neurentner sollten kurzfristige leichte Inflationsanstiege durchaus verkraften können. Wichtig ist, dass das oberste Organ sich aktiv und regelmässig über die ökonomischen Entwicklungen informiert und über ein Bewusstsein zur eigenen Leistungsstrategie und Anlagepolitik verfügt.

Annahmen und Auswirkungen der vier Szenarien

Verwendetes Modell

Das verwendete Modell basiert auf einer durchschnittlichen Pensionskasse mit Daten aus dem Risiko Check-up 2022. Die Renditeerwartungen und der technische Zinssatz werden jeweils anhand der Zinsund Inflationsannahmen adjustiert. Die Sparkapitalien der Aktivversicherten werden nominal mit der Renditeerwartung minus 1 % verzinst. Die Rentenerhöhungen betragen die Hälfte aus der Differenz zur erwarteten Rendite des jeweiligen Szenarios und der Renditeerwartung aus Szenario 1. Der Zeithorizont bezieht sich auf fünf Jahre.

Autoren

Ueli Sutter (Quantitativer Analyst, Complementa AG) und Flavio Müller (Pensionskassen-Experte SKPE, Keller Experten AG)

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