Mehr Mut zum Risiko beim Anlegen

Risiko bringt mehr Rendite. Sicherheit ist aber das oberste Gebot. In diesem permanenten Zielkonflikt müssen Vorsorgewerke ihre eigene Strategie finden.

Die Mitglieder aus den Stiftungsräten und Anlagekommissionen von Pensionskassen tragen die Verantwortung für die Anlage der Vermögenswerte. Verantwortung bedeutet, die Organe sind verpflichtet, innerhalb eines bestimmten Rahmens (BVG, Marktumfeld) für einen möglichst guten Verlauf zu sorgen und das jeweils Notwendige und Richtige zu unternehmen, damit kein Schaden entsteht.

Gemeinschaftliche Entscheidungen

Die Definition offenbart jedoch bereits einen Zielkonflikt, da sowohl ein guter Verlauf als auch die Abwendung eines Schadens austariert werden müssen. Das Geschehen an den Finanzmärkten ist mitunter rasant und nicht exakt vorhersagbar, weshalb zwischen der Schadensabwendung, wie beispielsweise der Vermeidung einer Unterdeckung, und einem guten Verlauf, also zum Beispiel der Ausnutzung der Marktchancen, abgewogen werden muss. Eine höhere Renditeperspektive geht häufig mit höherem Risiko einher. Die Verantwortlichen müssen deswegen gemeinschaftlich bewusste Entscheidungen treffen.

Die Risikofähigkeit ausschöpfen

Beim Investieren wird unterschieden zwischen der Risikobereitschaft, Wertschwankungen zu tragen, und der Risikofähigkeit, die der objektiven oder wirtschaftlichen Möglichkeit, Wertschwankungen zu tragen, entspricht. Im Interesse der Versicherten sollte die Risikofähigkeit ausgeschöpft werden. Der durchschnittlich sehr lange Anlagehorizont von Vorsorgeeinrichtungen erlaubt es, höhere Risiken einzugehen und die Erarbeitung von höheren Leistungen zu ermöglichen. Selbst eine geringfügig höhere jährliche Rendite ergibt über vierzig Jahre, der typischen Dauer des individuellen Sparprozesses in der zweiten Säule, eine wesentliche Differenz.

Das bewusste und mutige Ausnutzen der Risikofähigkeit resultiert über die Zeit in einem grösseren Vermögen und ermöglicht der PK somit Handlungsspielraum, beispielsweise Leistungsverbesserungen für die Versicherten. Voraussetzung ist, dass die Anlagestrategie auch in Krisenzeiten durchgehalten werden kann, zum Beispiel durch den Aufbau ausreichender Reserven.

Demgegenüber steht eine zu konservative Anlagestrategie mit dem Ziel, kurzfristig Verluste möglichst zu minimieren. Diese Herangehensweise ist jedoch nur vermeintlich besser, da mit einem zu defensiven Fokus langfristig weniger vom Zinseszins-Effekt profitiert werden kann: Der Vergleich von zwei diversifizierten Anlagestrategien mit 25 Prozent und 40 Prozent Aktienanteil offenbart zwar stärkere Rückschläge in Krisenzeiten für die mutigere Strategie, langfristig jedoch ein markant besseres Ergebnis als eine defensive Strategie.

Die Risikooptimierung ist der Schlüssel

Theorie und Praxis sind jedoch zwei Paar Schuhe. Keine Person trägt über vierzig Jahre die Verantwortung in einer PK. Typischerweise wird die Verantwortung nach kaum mehr als zehn Jahren weitergegeben. Durch diesen Umstand verringern sich der Anlagehorizont und die Risikobereitschaft. Und auch das Gesetz (BVG Art. 71) nennt unter anderem die Sicherheit als explizite Aufgabe des Stiftungsrates in der Vermögensverwaltung.

Die Anlagestrategie ist der wesentliche Treiber der Renditeerwartungen: Ein höheres Risiko wird prinzipiell durch höhere Renditen entschädigt. Allerdings gibt es bei gegebenem Risiko durchaus eine Streuung der Renditeperspektiven. Für eine Ergebnisverbesserung muss ergo auch die Risikooptimierung berücksichtigt werden. Ansonsten läuft man Gefahr, zwar mehr Risiko einzugehen, aber keine höheren Renditen abzuschöpfen.

Das Herumhacken auf der Kostenquote

Regelmässig kommen auch die Vermögensverwaltungskosten in die Schlagzeilen. Zwischen einzelnen Vorsorgeeinrichtungen bestehen messbare Unterschiede. In der Summe zeigt sich für den Betrachtungszeitraum ab 2013, seitdem die Pensionskassen die Kostenquote im Geschäftsbericht rapportieren müssen, jedoch kein wesentlicher Unterschied im Ergebnis von Kassen mit tiefer respektive hoher Kostenquote. Pensionskassen mit tiefer Kostenquote schnitten sogar leicht schlechter ab als Kassen mit hoher Kostenquote.

Hierbei gilt es zu beachten, dass die Anlagestrategie ein wesentlicher Treiber der Kostenquote sein kann. So sind Immobilieninvestments und alternative Anlagen tendenziell teurer als passiv umgesetzte Large-Cap-Aktien oder Staatsanleihen, sie bieten jedoch andere Ertragsprofile und zusätzliches Diversifikationspotenzial. Der Fokus sollte daher nicht nur auf den Kosten, sondern auch auf der Nettorendite liegen.

Weniger Schaden dank mehr Mut

Eine zu konservative Strategie entfaltet langfristig aufgrund entgangener Renditen für die Versicherten einen grösseren Schaden als kurzfristige Rückschläge mit einer mutigen Strategie. Verantwortungsbewusste Investoren sind sich dieser Dynamiken bewusst und beziehen diese Überlegungen in die Entscheidungen ein.

Autoren

Thomas Breitenmoser & Oliver Gmünder

 

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