Mit dem Segen des Bundesrates wurden per 1. Januar 2022 die Anlagerichtlinien für Vorsorgeeinrichtungen erweitert. Seither dürfen Pensionskassen «nichtkotierte schweizerische Anlagen» auch als eigene Anlageklasse führen. Im Verhältnis zum Gesamtvermögen ist dies bis zu einer Obergrenze von 5 Prozent erlaubt. Zulässig ist die Kapitalvergabe gegenüber Schuldnern (Private Debt) und im Sinne von Beteiligungen (Private Equity). Bedingung ist, dass die Gesellschaften sowohl ihren Sitz in der Schweiz haben, als auch hier operativ tätig sind.
Die Änderung geht auf das Anliegen der Motion «Langfristanlagen von Pensionskassen in zukunftsträchtige Technologien und Schaffung eines Zukunftsfonds Schweiz» des ehemaligen Ständerats Konrad Graber zurück. Pensionskassen sollen so die Möglichkeit erhalten, auch im Sinne einer Standortförderung, in innovative und zukunftsgerichtete Schweizer Technologien zu investieren. Solche Vermögensanlagen waren bisher schon erlaubt, mussten aber gemäss Gesetz und vereint mit anderen Investments in der Kategorie «Alternative Anlagen» aufgeführt werden. Allerdings: Auch wenn die Absicht die Förderung einheimischer Technologien war, ist ein Technologie-Bezug keine Bedingung. Der BVV 2-Artikel enthält nämlich keine Bestimmung zur Tätigkeit der Ziel-Unternehmen.
Wir haben Pensionskassen zur Änderung der Anlagerichtlinien befragt. Dabei zeigt sich, dass das hehre Ziel zur Förderung der helvetischen Technologien zumindest bei den Vorsorgeeinrichtungen noch nicht auf offene Ohren stösst: Gegenwärtig plant lediglich rund jede zehnte Kasse, die neu etablierte Anlagekategorie mittelfristig zu nutzen. Überraschend gross ist der Anteil derer (54%), welche sich gegen die neue Anlagekategorie aussprechen und diese auch nicht in ihrem Anlagereglement und Investmentmix verankern wollen. Jede dritte befragte Kasse ist noch unentschlossen.
Auch wenn die Änderung noch nicht lange in Kraft ist, lassen sich Parallelen zur Einführung der Anlageklasse «Infrastruktur» per 1. Oktober 2020 ziehen. Hier ging die Änderung ebenfalls auf eine Motion (Thomas Weibel, «Infrastrukturanlagen für Pensionskassen attraktiver machen») zurück. Ebenso waren Infrastrukturanlagen bis dahin ein möglicher Baustein der Anlagekategorie «Alternative Anlagen». Und auch bei Infrastrukturanlagen hat sich gezeigt, dass längst nicht alle Pensionskassen die separate Quote nutzen möchten. Zurzeit liegt der Anteil Infrastrukturanlagen über alle Kassen gesehen bei rund 2 Prozent, bei einem zulässigen Wert von 10 Prozent des Gesamtvermögens. Bei nichtkotierten schweizerischen Anlagen dürfte das gegenwärtige Engagement mit der Lupe zu suchen sein.
Der Anlagemix von Vorsorgeeinrichtungen ändert sich nicht automatisch aufgrund angepasster gesetzlicher Klassifizierungen. Die Bestimmung der Anlagestrategie, abgestimmt auf die Risikofähigkeit, ist einer der wesentlichen Aufgaben des Führungsorgans. Mittels ALM-Studien werden die geeigneten Anlageklassen ermittelt und die Strategie
ausgiebig analysiert. In diesem Kontext muss auch dem Charakter und Umstand eines verzögerten Aufbaus illiquider Kategorien Beachtung geschenkt werden. Wir erwarten deshalb keinen sprunghaften Anstieg der Anlageklassen Infrastruktur und nichtkotierte schweizerische Anlagen.
Ausserdem konnten Vorsorgeeinrichtungen bereits in beide Kategorien anlegen, mussten die Investments aber unter «Alternative Anlagen» (bzw. Infrastruktur resp. Private Equity und Debt als Subanlageklassen der Alternativen Anlagen) aufführen. Über alle Pensionskassen hinweg schwankte der Anteil Alternativer Anlagen in den letzten Jahren zwischen 9 bis 10 Prozent, bei einer zulässigen Obergrenze von 15 Prozent. Selbst wenn eine Kasse das Budget ausschöpft, können auf Basis des Erweiterungsartikels die gesetzlichen Limiten überschritten werden. Ein PK-Verantwortlicher kommentiert es so: «Nur weil im BVV 2 eine neue Möglichkeit aufgenommen wird, löst dies noch keinen Handlungsbedarf aus. Grundsätzlich stehen alle Anlagemöglichkeiten bereits zur Verfügung. Entscheidend sind ganz andere Überlegungen.»
Derzeit planen marktbekannte und von uns befragte Asset Manager kaum, bestehende Investments umzugruppieren oder mittelfristig überhaupt ein dezidiertes Angebot von Kollektivanlagen für die neue Anlageklasse zu entwickeln. Selbst wenn, muss eine Pipeline mit aussichtsreichen Gesellschaften erst aufgebaut werden, d.h. Unternehmen müssen identifiziert und geprüft, sowie zu einem Portfolio zusammengesetzt werden. Deshalb kann die Bedeutung der neuen Anlageklasse, zumindest aus heutiger Sicht, in Frage gestellt werden.
Halten wir uns überdies vor Augen, dass die Mittel aus der 2. Säule im Sinne nichtkotierter schweizerischer Anlagen an Unternehmen fliessen werden, für welche auch eine Reihe weiterer (Standort-)Faktoren in ausreichender Qualität und Verlässlichkeit gegeben sein müssen, um erfolgreich «helvetische Technologien» zu entwickeln und zu produzieren. Die Frage nach der Finanzierung und Bereitstellung von Mitteln durch Investoren ist lediglich ein Teilaspekt. Die Vertreterinnen und Vertreter aus der Politik sind also gefragt, weitere wesentliche (Standort-)Faktoren für die heimischen Unternehmen zu entwickeln und zu fördern. Das Kapital aus der 2. Säule wird sodann die hiesigen Firmen mit erfolgsversprechenden Lösungen erreichen, unabhängig von der Zuordnung zu Anlageklassen und Limiten im Sinne der BVG-Gesetzgebung.
Von: Oliver Gmünder, Leiter Relationship Management
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