Legen Pensionskassen ihre Anlagegelder zunehmend passiver an? Nicht unbedingt. Zwar wählen die meisten Vorsorgeeinrichtungen bei globalen Large-Cap-Aktien einen passiven Ansatz. Doch da Anlageklassen wie Immobilien und alternative Anlagen immer wichtiger werden, bleibt aktives Investieren wichtig.
Lesen Sie hier den Beitrag (PDF-Format) aus der "Anlagewerkstatt" der Schweizer Personalvorsorge.
Viele Pensionskassen setzen heutzutage mindestens einen Teil des traditionellen Anlageportfolios, wenn nicht sogar den Grossteil der traditionellen Anlagen, passiv um. Konkret bedeutet dies, dass auf Ebene Anlageklasse versucht wird, den jeweiligen Referenzindex nachzubilden. Mit einer passiven Anlage erhält man einen günstigen und flexiblen Zugang zum jeweiligen Markt-Beta, verzichtet dabei aber gleichzeitig auf eine potenzielle Mehrrendite.
Freilich gibt es in Bezug auf einzelne Anlageklassen deutliche Unterschiede. Bei den Aktien Welt investiert nur noch eine kleine Minderheit (weniger als ein Fünftel) aktiv. Bei den Schwellenländeraktien und kleinkapitalisierten Aktien sind die Pensionskassen eher aktiv investiert als bei den globalen Large Caps. So sind beispielsweise rund 70% der Umsetzungen im Bereich Aktien Schweiz Small und Mid Cap aktiv verwaltet (bezogen auf die von PKs dort investierten Umsetzungen). Auch bei den Obligationen liegt der Anteil aktiver Umsetzungen höher. So setzen rund drei Viertel der Vorsorgeeinrichtungen mindestens einen Teil des Obligationenportfolios aktiv um. Gerade bei den Obligationen ist häufig zu beobachten, dass Pensionskassen aktive und passive Lösungen parallel einsetzen.
Weiter sollte auch beachtet werden, dass der Anteil der Immobilien und Alternativen Anlagen über die Jahre deutlich angestiegen ist. So stieg der Anteil der Immobilien am Gesamtportfolio seit 2013 von 16.7 auf 22.8% per Ende 2023. Bei den alternativen Anlagen stieg die Quote im gleichen Zeitraum von 6.2 auf 9.4%. Diese Anlagen lassen sich nur schwer oder gar nicht passiv umsetzen. Die jeweiligen Referenzindizes sind meist nicht investierbar bzw. lassen sich nicht ohne weiteres replizieren. So werden Pensionskassen im Bereich der nichtkotierten Immobilien Schweiz Mühe haben, die Indexgewichte der einzelnen Anlagestiftungen des KGAST genau nachzubilden. Im Gegensatz zu liquiden Märkten ist man hier nämlich von den jeweils anstehenden Kapitalerhöhungen und den jeweiligen Zuteilungen abhängig. Man kann also nicht generell sagen, dass Pensionskassen heute passiver investieren. Ein sinkender Anteil aktiver Investments bei den traditionellen Anlagen zugunsten von aktiven alternativen Anlagen und Immobilienanlagen kann aber festgestellt werden.
Kostenüberlegungen, Abweichungsrisiken und ein wachsendes Produktangebot waren wichtige Treiber für diese Entwicklung. Es soll hier auch erwähnt werden, dass die individuelle Entscheidung einer Vorsorgeeinrichtung, aktiv oder passiv zu investieren, neben Kostenüberlegungen und dem Abweichungspotenzial auch stark durch die zuvor gesammelten Erfahrungen und die eigene Anlagephilosophie geprägt wird. So sehen wir bei verschiedenen Pensionskassen, die auf aktive Manager setzten, dass diese teilweise über zehn oder mehr Jahre erfolgreich mit aktiven Managern zusammenarbeiten.
Wir wollen nachfolgend einige Überlegungen zum Thema aktives und passives Investieren schildern, die Pensionskassen helfen sollen, sich eine eigene Meinung zu bilden.
Kann eine Anlageklasse passiv investiert werden?
Nicht alle Anlageklassen lassen sich passiv umsetzen. Für verschiedene Teilmärkte stellt sich die Frage, wie gut der jeweilige Referenzindex nachgebildet werden kann. So ist dies bei einem liquiden Universum wie dem MSCI World (globale Large-Cap-Aktien) gut möglich, während bei Bondmärkten wegen der tieferen Liquidität und der meist höheren Zahl an einzelnen Wertpapieren (der Bloomberg Global Aggregate Bond Index hat beispielsweise weit über 25000 Einzelpositionen) ein Sampling zum Einsatz. In diesem konkreten Fall würde dies bedeuten, dass die Charakteristika eines Index (u. a. Verteilung der Ratings, Duration, Sektoren) mit einem Sub-Sample des Gesamtuniversums nachgebildet werden. Die Abweichungen zum jeweiligen Referenzindex hängen hierbei wesentlich von der Qualität dieser Replikation ab.
Weiter gilt es auch die anlageklassenspezifischen Transaktionskosten bzw. die Geld-/Briefspannen zu beachten. Von diesen Handelskosten sind alle Manager betroffen, aktive Manager haben aber das Potenzial, diese Handelskosten durch verschiedene Alphaquellen zu kompensieren.
Ist es statistisch möglich den Markt zu schlagen?
Es gibt Anlageklassen bzw. Marktsegmente, die sich mehr oder weniger für eine aktive Umsetzung eignen. So ist beispielsweise das Schlagen des S&P-500-US-Aktienindex sehr schwierig, während in Märkten wie dem Schweizer Small und Mid Cap Index SPI Extra TR oder Aktien Emerging Markets eher Chancen für eine Outperformance bestehen bzw. es einer grösseren Zahl an Managern gelingt, die Benchmark zu schlagen. Es gilt hierbei auch zu beachten, dass aktive Manager ihre höheren Kosten zuerst wieder einspielen müssen.
Will man Abweichungen in Kauf nehmen?
Pensionskassen müssen sich in dieser Diskussion auch fragen, ob Abweichungen zum Referenzindex in Kauf genommen werden sollen. Bei einem passiven Investment kann sich das Anlagegremium in seiner Diskussion auf die Entwicklung des Gesamtmarktes beschränken. Titelspezifische Diskussionen können so grösstenteils vermieden werden. Da hier keine bzw. nur geringe Abweichungen zur Vergleichsgrösse entstehen, ist der interne Zeitaufwand im Vergleich zu aktiven Anlagelösungen tiefer. Freilich bedeutet dies nicht, dass sich die Anlageverantwortlichen nicht mit der Indexzusammensetzung beschäftigen sollten.
Weist ein Referenzindex Schwächen auf?
Für die verschiedenen strategischen Anlageklassen einer Pensionskasse gilt es jeweils einen Referenzindex zu definieren. In diesem Zusammenhang sollten sich Anlageverantwortliche fragen, ob die definierten Indizes Schwächen aufweisen. So sind beispielsweise bei verschiedenen Aktienindizes Konzentrationstendenzen oder unerwünschte Sektorallokationen zu berücksichtigen. Im Swiss Performance Index weisen beispielsweise die grössten drei Titel per Ende April 2024 ein Gewicht von knapp 39% auf. Falls eine solche Konzentration unerwünscht ist, so gilt es, entweder eine Alternative für den gewählten Index zu suchen oder innerhalb einer Anlageklasse eine aktive Positionierung vorzunehmen.
ESG und Nachhaltigkeitsbestrebungen
ESG-Überlegungen (u.a. Ausschlüsse oder ESG-Tilts) können ebenfalls dazu führen, dass Investoren aktiv bzw. semi-aktiv investiert sind. Je nachdem, wie spezifisch und streng die ESG-Vorgaben sind, wird ein grösserer Tracking Error gegenüber den regulären kapitalgewichteten Indizes resultieren. Ein Sonderfall stellen sehr grosse PKs dar, die sich einen spezifischen massgeschneiderten ESG-Index zusammenstellen lassen können und sich diesen in einem zweiten Schritt von einem Manager replizieren lassen.
Autoren
Andreas Rothacher, CFA, CAIA, Leiter Investment-Research und Roman Erb, Senior Investment-Consultant/Controller