Schweizer Vorsorgeeinrichtungen im Umfeld steigender Zinsen

Nach Jahren mit tiefer Inflation und sinkenden Zinsen kam es 2022 weltweit zu einem deutlichen Anstieg der Zinsen und Inflationsraten. Die Verfallsrenditen stiegen deutlich an. Die beiden grössten Anlageklassen der Pensionskassen, Aktien und Obligationen, fuhren grosse Verluste ein. Die gestiegenen Zinsen und die Inflation bleiben sowohl für die Aktiv- als auch für die Passivseite nicht ohne Folgen.

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Das langanhaltende Tiefzinsumfeld hat zu einer deutlichen Veränderung der Vermögensallokation von Pensionskassen geführt. Über die Zeit wurde der relative Anteil der Obligationen zugunsten von Immobilien und alternativen Anlagen deutlich reduziert.

Der durchschnittliche Anteil der festverzinslichen Anlagen sank über zehn Jahre von 39.5 auf 31.7 % per Ende 2022. Im gleichen Zeitraum stieg der Anteil der Immobilien von 16.7 auf 24 %. Bei den alternativen Anlagen stieg die Quote von 6.2 auf 10.1 %. Für NAV-basierte Anlagen wie Immobilien und Infrastruktur oder Private Equity trug der Denominatoreffekt zu einer zusätzlichen Erhöhung der Quote im Anlagejahr 2022 bei. Hierbei steigt der relative Anteil einer Anlageklasse wegen deutlichen Wertverlusten auf anderen Anlageklassen an. Dies folgt selbst dann, wenn keine neuen Investitionen in dieser Anlageklasse getätigt werden.

Welche Folgen haben die gestiegenen Zinsen für die zukünftige Vermögensallokation?

Im Rahmen des Sonderthemas der aktuellen Complementa Risiko-Checkup-Studie haben wir Pensionskassen zu den Themen Inflation und Zinsen befragt. Rund 170 Pensionskassen haben an der diesjährigen Umfrage zum Sonderthema teilgenommen.

Das veränderte Zinsumfeld kann als Anlass genommen werden, die eigene Anlagestrategie zu überprüfen. Hierbei zeigt sich, dass rund ein Fünftel der befragten Pensionskassen plant, ihre Obligationenquote wieder zu erhöhen, ein weiteres Fünftel führt Diskussionen zu diesem Thema. Die restlichen rund 60% der Befragten haben keine Erhöhung der Obligationenquote vorgesehen. Neben den gestiegenen Zinsen gilt es nämlich, auch die höheren Inflationsraten zu berücksichtigen, die das positive Bild der Nominalrenditen schmälern. Zusätzlich mögen hier auch zukünftig erwartete Zinserhöhungen zum Zögern einiger Verantwortlicher beigetragen haben. Weiter gilt es auch zu beachten, dass gerade bei Immobilien und alternativen Anlagen durch Illiquidität meist keine rasche Umschichtung zwischen Anlageklassen möglich ist.

Im Rahmen unserer Umfrage wurden die Pensionskassenverantwortlichen auch zur Berechtigung verschiedener Anlageklassen im Anlagemix im Umfeld gestiegener Zinsen befragt (unabhängig davon, ob die eigene Kasse dort investiert ist oder nicht). Die Umfrageergebnisse sind in der Grafik auf der nächsten Seite aufgeführt.

Pensionskassen sind gegenüber Immobilien Schweiz und Infrastrukturanlagen nach wie vor sehr positiv eingestellt. Rund drei von vier bzw. zwei von drei Befragten finden, dass diese Anlageklassen nach wie vor eine Berechtigung im Anlagemix haben. Bei den Immobilien Ausland liegt die Zustimmung bei über 55%. Schwellenländeranleihen und Hypotheken haben gemäss knapp der Hälfte der Befragten nach wie vor eine Berechtigung in der Anlagestrategie. Knapp je ein Drittel sieht diese Anlageklassen neutral. Bei den restlichen abgefragten Anlageklassen (Private Debt, High-Yield-Obligationen, Wandelanleihen und Gold) fallen die Zustimmungsraten deutlich tiefer aus. Ein Grossteil der Befragten ist gegenüber diesen Anlageklassen im Kontext gestiegener Zinsen neutral eingestellt.

Haben diese Anlageklassen bei einem höheren Zinsniveau nach wie vor eine Berechtigung in der strategischen Allokation?

Erstmals im Jahresvergleich höhere technische Zinsen

Auf der Passivseite haben die jahrelang fallenden Renditen zu Senkungen des technischen Zinssatzes bei Schweizer Pensionskassen beigetragen. Durch die Gegenbewegung der Zinsen hat hier der Druck nachgelassen. Erstmals in den letzten 20 Jahren ergab sich aus der Complementa-Umfrage ein Anstieg des durchschnittlichen technischen Zinssatzes von 1.6% (2022) auf 1.7% (2023).

Gleichzeitig plant aktuell nur eine Minderheit der Befragten, den technischen Zinssatz wieder zu erhöhen. Wie schnell nach oben angepasst wird, hängt aus Stetigkeitsüberlegungen auch damit zusammen, wie stark und schnell auf frühere Zinssenkungen reagiert wurde.

Der Inflationsausgleich ist eine Herausforderung

Pensionskassen befassen sich auch mit dem Thema Inflation und Teuerungsausgleich (siehe Grafik Seite 11). Dabei gilt, dass keine einzelne Massnahme eine Mehrheit gefunden hat. Das heisst aber nicht, dass generell abgewartet wird. Rund 40 % der befragten Vorsorgeeinrichtungen haben schon Konzepte zu Rentenerhöhungen und Einmalzahlungen und weitere 34 % diskutieren diese. Nur gerade ein Viertel der Befragten gab an, noch gar nichts unternommen zu haben.

Wegen der weiterhin negativen Realzinsen und fehlenden freien Mitteln ist ein Inflationsausgleich für die meisten Pensionskassen nur mit höheren Erträgen aus risikobehafteten Anlagen möglich. Das spricht gegen langfristige Garantien. Deshalb erfreut sich die Einmalzahlung in Prozenten der Jahresrente, oft auch «13. Monatsrente» genannt, grosser Beliebtheit. Deren Attraktivität lässt sich an einem Beispiel veranschaulichen:
Bezieht ein Rentner eine Monatsrente von 2000 Franken und kann die Pensionskasse 1% der Mittel verteilen, erhöht sich die Monatsrente um bescheidene 20 Franken. Einmalig kann hingegen eine zusätzliche 13. Monatsrente von 2000 Franken finanziert werden. Es ist zudem leicht möglich, einen sozialen Ausgleich mit einem Minimum und einem Maximum einzubauen. So ist der Übergang zur Einmalzahlung eines absoluten Frankenbetrags, den rund 13% der Pensionskassen anwenden, fliessend.

Rentenerhöhungen sind deutlich weniger häufig. Viele Pensionskassen erwägen, diese je nach Umwandlungssatz bei Pensionierung auszurichten. So sollen Personen bevorzugt werden, die in den letzten Jahren pensioniert wurden und meist eine deutlich tiefere Rente erhielten als frühere Jahrgänge. Auffallend ist, dass diese Option zwar häufig diskutiert wird, aber erst bei 4 % der Pensionskassen umgesetzt ist. Das zeigt, dass eine gerechte Verteilung in vielen Fällen nicht einfach ist. So sind bei der Bemessung unter anderem auch Ausgleichszahlungen und Mehrverzinsungen der vergangenen Jahre zu berücksichtigen.

Am seltensten ist eine Kopplung der Rente an einen Index. Sie dürfte bei vielen Pensionskassen kaum finanzierbar sein. Auch das Gesetz (BVG und FZG) macht hier Einschränkungen. Es ist zudem fraglich, ob Versicherte bereit sind, mit der Hoffnung auf spätere Erhöhungen auf einen Teil der Ausgangsrente zu verzichten bzw. aus eigenem Vermögen eine Erhöhung vorzufinanzieren.

Anteil an Pensionskassen mit Leistungsanpassungen aufgrund der Preisentwicklung für laufende Renten

Take Aways

  • Ein Fünftel der Pensionskassen diskutiert eine Erhöhung der Obligationenquote.
  • Die Pensionskassenverantwortlichen sind gegenüber Infrastrukturanlagen und Schweizer Immobilien nach wie vor sehr positiv eingestellt.
  • Der technische Zinssatz steigt im Vorjahresvergleich erstmals seit 20 Jahren.
  • Die Pensionskassen reagieren auf die Inflation.

Autoren

Andreas Rothacher, Complementa und André Tapernoux, Keller Experten

Andreas Rothacher, CFA, CAIA, Complementa AG und André Tapernoux, Pensionskassen-Experte SKPE, Keller Experten AG.

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