Institutionelle Investoren im Anlagejahr 2022

Im vergangenen Jahr sahen sich die Finanzmärkte mit zahlreichen Herausforderungen konfrontiert. Neben geopolitischen Spannungen kam es zu einer Rückkehr der Inflation, welche teilweise selbst in entwickelten Märkten zweistellige Werte annahm. Um dieser Lage Herr zu werden, waren die Zentralbanken zum Handeln gezwungen. Dem entsprechend kam es weltweit zu einer deutlichen und teilweise sehr raschen Straffung der Geldpolitik durch die Zentralbanken. Ausnahmen zu dieser generellen Bewegung bildeten neben Japan auch Länder wie China und die Türkei, wo die Geldpolitik eher gelockert wurde. Im Jahresverlauf gingen die Inflationszahlen etwas zurück, was zu einer allmählichen Verlangsamung des Straffungszyklus führte.

In der Folge soll das Augenmerk auf die Geldpolitik wichtiger Zentralbanken fallen. Zur besseren Übersichtlichkeit wurden die Zinsschritte verschiedener Zentralbanken für das Jahr 2022 in der untenstehenden Tabelle noch mal zusammengefasst.

Die FED nahm 2022 insgesamt sieben Zinsschritte vor (Zinserhöhung um insgesamt 4.25%). Dies umfasst vier Zinsschritte zu je 75 Basispunkten sowie zwei Zinserhöhungen zu 50 Basispunkten und eine Erhöhung um 25 Basispunkte. Die Bank of England hatte ihren Zinserhöhungszyklus bereits Ende 2021 mit einem ersten Zinsschritt eingeleitet. 2022 erfolgten insgesamt acht Zinsschritte (Zinserhöhung um insgesamt 3.25%). Die Europäische Zentralbank sah sich im Euroraum teilweise mit zweistelligen Inflationsraten konfrontiert und entsprechend wurden 4 Zinsschritte vorgenommen (Zinserhöhung um insgesamt 2.5%). Die Schweizer Nationalbank nahm 3 Zinsschritte vor, was im September 2022 zum Ende des Negativzinsumfeldes führte. Die Bank of Japan liess den Leitzins im vergangenen Jahr unverändert, was zu einer deutlichen Abwertung des Yens beitrug.

Die Straffung der Geldpolitik wird gerade bei der Betrachtung der Verfallsrenditen von Staatsanleihen sehr deutlich. Im Jahresverlauf war ein deutlicher Anstieg der Verfallsrenditen zu beobachten. Spiegelbildlich kam es bei Bonds bzw. Bondindizes zu deutlichen Abschlägen bzw. Kursverlusten. So verlor beispielsweise der Bloomberg Global Aggregate Bond TR Index rund -16.2% (in USD). Bei den Aktien fielen die Kursverluste ebenfalls hoch aus. So verlor beispielsweise der S&P 500 TR rund -18.5% (in USD), was dem grössten Verlust seit der Finanzkrise 2008 entspricht.

Das vergangene Jahr ist insofern besonders, als dass sich wegen den tieferen Wachstumserwartungen und der restriktiveren Geldpolitik sowohl Aktien als auch Zins- und Kreditinstrumente negativ entwickelt haben. Die Diversifikation innerhalb der traditionellen Anlagen (Bonds und Aktien) hat dementsprechend 2022 nicht funktioniert. Unterstellt man ein 60/40-Portfolio (60% S&P 500 und 40% Bloomberg Global Agg Bond Index), so resultiert für 2022 eine Rendite von -17.6% (Buy and Hold in USD). Für nicht-US-Dollar basierte Investoren mag die zeitweilige Aufwertung des USD die Verluste etwas entschärft haben, historisch betrachtet war 2022 aber eines der schlechtesten Anlagejahre.

Institutionelle Investoren, welche neben festverzinslichen Wertpapieren und Aktien auch defensive NAV-basierte Anlagen (z.B. nichtkotierte Wohnimmobilien oder Core-Infrastrukturanlagen) im Portfolio hatten, schnitten in diesem turbulenten Anlagejahr tendenziell besser ab als Investoren, die sich auf traditionelle Anlagen beschränkten. Die NAV-basierten Anlagen federten hierbei die Verluste ab. Auch bei verschiedenen Alternativen Anlagen waren die Renditen positiv bzw. weniger negativ als bei traditionellen Anlagen. Die NAV-Bewertung bewirkte hier gewisse Glättungseffekte. Gerade Wohnimmobilien und Core Infrastrukturanlagen sind tendenziell wenig konjunktursensitiv.

Schweizer Pensionskassen im Anlagejahr 2022

In Bezug auf Schweizer Pensionskassen wird das Anlagejahr 2022 negativ in die Geschichte eingehen. Nach unseren Hochrechnungen verzeichneten Schweizer Vorsorgeeinrichtungen 2022 im Schnitt eine Negativrendite von -9.4%. Dies entspricht dem zweitschlechtesten Ergebnis in den letzten zwanzig Jahren. Allein im Dezember hatten Pensionskassen eine Negativrendite von durchschnittlich -2.3% zu beklagen. Entsprechend hinterliessen die aktuellen Marktverwerfungen auch beim gewichteten Deckungsgrad ihre Spuren. Dieser sank von 115.3% per Ende 2021 auf 102.5% per Ende 2022. Das Anlagejahr 2022 zeigt exemplarisch, wie wichtig es ist, ein Portfolio über verschiedene Anlageklassen und Risikofaktoren ausreichend zu diversifizieren. Den Pensionskassen kam hierbei zugute, dass der Anlagemix meist sowohl traditionelle als auch nicht-traditionelle Anlagen umfasst. Insbesondere die Immobilien Schweiz, welche rund ein Fünftel der Vermögensallokation von Schweizer Vorsorgeeinrichtungen ausmachen, erwiesen sich als Stabilisator. So rentierten nicht-kotierte Schweizer Immobilien bis Dezember mit fast 4.9% (KGAST-Index). Unterstellt man auch hier ein 60%-/40%-Portfolio (60% SPI und 40% Swiss Bond Index) so resultiert eine Rendite von -14.7% (Buy and Hold in CHF). Dies verdeutlicht die positiven Effekte, welche aus den nicht-traditionellen Anlagen folgten.

Die Entwicklung der Deckungsgrade zeigt zudem, wie wichtig es ist, angemessene Reserven zu bilden, um die Schwankungen, welche aus den eingegangenen Risiken resultieren, abfedern zu können. Der hohe durchschnittliche Deckungsgrad per Ende 2021 trug wesentlich dazu bei, dass Schweizer Pensionskassen zumindest im Schnitt selbst nach einem sehr schlechten Anlagejahr nicht in Unterdeckung geraten sind.

Fazit und Ausblick

Im laufenden Jahr sind weitere Zinsschritte verschiedener Zentralbanken zu erwarten. Das höhere Zinsniveau wirft neue Fragen auf. So gilt es, neben der Überprüfung der eigenen Anlagestrategie auch die passivseitigen Parameter wie den technischen Zinssatz (Diskontierung der Verpflichtungen) im Lichte des höheren Zinsniveaus neu zu beurteilen. Des Weiteren stellt sich die Frage, inwiefern die Zinsen nachhaltig auf erhöhtem Niveau bleiben werden. Der deutliche Zinsanstieg im Jahr 2022 (nach mehr als einem Jahrzehnt tiefer bzw. sinkender Zinsen) veranschaulicht, dass sich die jeweils geltende Gesamtlage selbst über kürzere Zeiträume unerwartet und deutlich ändern kann. Dem entsprechend gilt es, die eigene strategische Vermögensallokation und die damit zusammenhängenden Annahmen regelmässig zu überprüfen.

Hier können Sie die Kommentierung des Anlagejahrs 2022 als PDF-Version herunterladen.

Autoren: Andreas Rothacher & Ueli Sutter

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