Steigenden Zinsen bzw. höheres Zinsniveau

Nach einer ausgesprochen langen Phase der Null- bzw. Negativzinsen sind die Zinsen seit gut eineinhalb Jahren wieder zurück am Kapitalmarkt. Über mehrere Schritte haben die Zentralbanken starke Zinserhöhungen zur Bekämpfung der deutlichen Inflation vorgenommen. Seit November 2023 haben wir dank einer sinkenden Inflation wieder fallende Verfallsrenditen gesehen. Die Zinsen sind generell das dominierende Thema am Kapitalmarkt.

Download: Artikel aus der Schweizer Personalvorsorge (01-24).

Viele Pensionskassen wurden in den letzten Jahren durch das Negativzinsumfeld gedrängt, laufend höhere Risiken einzugehen, häufig durch Anlagen mit höherer Komplexität und Illiquidität. Mit der Rückkehr der nominellen Zinsen auf breiter Front hat sich diese Ausgangslage gedreht. Es stellt sich nun die Frage, wie sich die gestiegenen Zinsen bzw. das höhere Zinsniveau auf das aktuelle Portfolio auswirken.

Wir gehen in der folgenden Tabelle systematisch durch das Portfolio bzw. die Anlagekategorien einer Pensionskasse und stellen den Einfluss der steigenden Zinsen bzw. des höheren Zinsniveaus dar.

Höhere (steigende) Zinsen haben sowohl Auswirkungen auf das Portfolio im gesamten wie auch auf jede einzelne Anlageklasse, aber in unterschiedlicher Ausprägung. Die Einschätzung der weiteren Zinsverläufe in der Schweiz und im Ausland dürften auch im kommenden Jahr von entscheidender Bedeutung sein.

Auf jeden Fall haben sich die Rahmenbedingungen auf der Anlageseite gegenüber den vergangenen Jahren deutlich verändert. Bei der nächsten Überprüfung der Anlagestrategie sollte die Reduktion der Komplexität/Illiquidität auf strategischer Ebene, die im Tief-/Negativzinsumfeld zugenommen hat, diskutiert und beurteilt werden.

Nachfolgend werden die Auswirkungen steigender Zinsen resp. eines höheren Zinsniveaus auf die verschiedene Anlageklassen beschrieben.

 

Portfolio

  • Steigende Zinsen bzw. unerwartete Inflation führen zu steigenden Korrelationen zwischen den wichtigsten Anlagekategorien Obligationen, Aktien und Immobilien, wobei dieser
    Effekt bei Immobilienfonds unmittelbar beobachtbar ist. Bei direkten Immobilien tritt er aufgrund ihrer Bewertungsträgheit nur verzögert und somit eingeschränkt auf. Generell
    wird dadurch der Diversifikationseffekt innerhalb des Portfolios beeinträchtigt.
  • Generell leiden die meisten Anlagekategorien unter steigenden Zinsen.
  • Höhere Zinsen führen mit Verzögerung zur Reduktion des Werts der Passiven und c.p.* zum Anstieg des Deckungsgrads und zu höheren Finanzierungsanforderungen.
  • Die Liquidität ist bei stark steigenden Zinsen einziger effektiver und kosteneffizienter Hedge, aber Frage der Timingfähigkeit.

 

Liquidität

  • Bei steigenden Zinsen Liquidität wegen kurzer Zinsbindung vorteilhaft.
  • Festgelder wieder mit attraktiveren Konditionen.

 

Obligationen

  • Bestehende Obligationen verlieren bei Zinserhöhungen an Buchwert, neu emittierte Obligationen zahlen höheren Coupon.
  • Pull-to-Par-Effekt (Rückzahlung zu 100 %) kompensiert den Mark-To-Market-Verlust bei Haltedauer bis zum Ende, sofern kein Kreditereignis eintritt.
  • Steigende Zinsen/höheres Zinsniveau können Refinanzierungsfähigkeiten der Schuldner beeinträchtigen, was insbesondere bei hohem Fremdfinanzierungsgrad zu Kreditereignissen führen kann.
  • Generell hohe ausstehende Schulden weltweit, die nächstes Jahr auslaufen und refinanziert werden müssen («Wall of Refinancing») könnten zu höheren Zinsen, bzw. Kreditaufschlägen führen.
  • High-Yield-Bonds verlieren aufgrund ihrer tieferen Duration bei steigenden Zinsen c.p. weniger als andere Obligationensegmente, leiden aber unter den erschwerten Refinanzierungsbedingungen. Dafür dürfte aufgrund der zunehmenden Kreditrisikoaufschläge die Rendite neu emittierter Papiere zunehmen. Segment jedoch bei schlechtem Wirtschaftsgang deutlich anfälliger auf Kreditereignisse als Investment-Grade-Anleihen.
  • EM-Hartwährungen Obligationen haben Zinserhöhungen nachvollzogen, sind aber im Vergleich zu Lokalwährungen von schlechterer Bonität, deshalb ggf. mehr Probleme bei Refinanzierung als Lokalwährungsschuldner. Die Duration der Lokalwährungs-Anleihenindizes sind kürzer als die der Hartwährung und weisen damit ein tieferes Zinsänderungsrisiko auf.

 

Aktien

  • Unternehmensbewertungen sind abhängig von zukünftigen Gewinnen. Diese werden durch steigende Zinsen negativ beeinflusst, da Diskontierungssätze steigen und Fremdkapital teurer wird (generell steigende Kapitalkosten), sodass Unternehmensgewinne c.p. abnehmen.
  • Risikofreier Zins steigt, wodurch die Aktien aus einer Relativ- Value-Perspektive weniger attraktiv werden und ein Investor ggf. Alternativinvestitionen wählt.
  • Verlangsamung oder Verringerung des Geldflusses in der Wirtschaft (höhere Zinsen für Fremdkapital, weniger Geld für Konsum, Margenkontraktion bei Unternehmen) mit negativen Folgen für Umsätze (abhängig von Branche), Wirtschaftswachstum allgemein gebremst.
  • Finanztitel reagieren generell gut auf Zinserhöhungen (Banken erhöhen Zins), denkbar sind aber im Fall einer Rezession auch deutlich negative Auswirkungen auf Banken mit unverhältnismässig vielen/schlechten ausstehenden Krediten.
  • Wachstumsaktien leiden tendenziell mehr als Value-Titel, da hohe Cashflows im Vergleich später erwartet, was den Effekt höherer Diskontierungssätze verstärkt (längere Duration Wachstumstitel als Value-Titel).

 

Immobilien

  • Bei steigenden Zinsen kühlt der Immobilienmarkt ab (abnehmende Nachfrage nach Wohn-/kommerziellen Liegenschaften), v. a. wegen hohem Fremdkapitalanteil beim Bau/Kauf von Immobilien: Refinanzierung wird teurer.
  • Steigende Zinsen erhöhen den Diskontsatz, was den Wert der Immobilie bei gleichbleibenden anderen Faktoren, die den Diskontsatz beeinflussen, reduziert.
  • Potenzielle Refinanzierungsschwierigkeiten von Immobilienfonds/ASTs angesichts des höheren Zinsniveaus.
  • Mieteinnahmen können wegen höherer Zinsen/Inflation erhöht werden (abhängig von gesetzlichen Grundlagen im jeweiligen Land sowie vertraglicher Ausgestaltung), Zahlungsfähigkeit Mieter in schwierigerem makroökonomischem Umfeld ist zu berücksichtigen.
  • Meistens schlagen sich höhere Zinsen bei Mieten erst verzögert nieder, während die Bewertung früher angepasst wird.
  • Agios kotierter Immobilienfonds leiden unter steigenden Zinsen.
  • Unterschiedliche Effekte nach Qualität der Lagen, Mieter, Branchen etc. erwartet, besondere Bedenken gegenwärtig bei Refinanzierung von Büroimmobilien wegen vermehrt umgesetzter hybrider Arbeitsmodelle (rückläufige Nachfrage).

 

Hypotheken

  • Zinsanteil fix und variabel bestimmt Fähigkeit, Zinsen anzupassen.
  • Durchschnittliche Belehnung im Kontext der rückläufigen Immobilienpreise beurteilen.
  • Ggf. grössere Schwierigkeiten der Schuldner, die Hypotheken zu bedienen.

 

Private Equity

  • PE-Firmen sind zurückhaltender bei der Finanzierung, da Schulden teurer sind, was in rückläufigem Wachstum und damit auch Umsatz enden kann.
  • Unternehmenswerte nehmen mit höherem Zinssatz ab (Diskontierung).
  • Möglichkeit, notleidende Assets günstig einzukaufen (Distressed Investing) bzw. eines guten Zeitpunkts eines Markteintritts, sofern Liquidität vorhanden.

 

Loans

  • Aufgrund variabler Verzinsung Zinsrisiko tief, da schnell an Zinserhöhungen partizipiert werden kann.
  • Ggf. negative Effekte auf Refinanzierungsfähigkeit und damit Anstieg der Defaults (was de facto bereits der Fall ist), Entwicklung der Recovery Rates abhängig vom absoluten Zinsumfeld und Wirtschaftswachstum.

 

ILS

  • Die meisten Rückversicherungsverträge laufen maximal ein Jahr. Reserven werden in kurzfristige Verträge investiert, bei denen die Rendite erhöht wird, wenn die Zinsen am kürzeren Ende steigen.
  • Hohe kurzfristige Zinsen vorteilhaft für ILS (Floating Rates).

 

Hedge Funds

  • Kosten für Fremdfinanzierung (Leverage) steigen, wobei das absolute Leverage-Niveau sinken dürfte.
  • Höhere Erträge aus Collaterals und Mitteln aus auf Termin verkauften Vermögenswerten.
  • Instrumente, die unter steigenden Zinsen leiden, können auf Termin verkauft werden.
  • Vorteilhaft tendenziell für CTAs, Global-Macro- und Fixed-Income-Relative-Value-Strategien wegen höherer Volatilität mehr Dislokationen im Fixed-Income-Bereich.

 

Rohstoffe

  • Direkter Effekt ist, dass Opportunitätserträge aufgrund höherer Zinsen steigen, sodass c.p. mit negativem Effekt auf Rohstoffe zu rechnen ist.
  • Collaterals sind in der Regel zinstragende Wertschriften guter Bonität mit kurzer Laufzeit, sodass darauf kurz-/mittelfristig höhere Erträge zu erwarten sind.

 

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