Das Pensionskassenvermögen wird immer breiter diversifiziert. Der Trend setzt sich fort. Jüngst sind neue Anlageklassen hinzugekommen.
Die Verantwortlichen der Schweizer Pensionskassen meistern vielerlei Herausforderungen. Eine davon ist die Festlegung einer auf die Verpflichtungen abgestimmte Anlagestrategie. Sie ist von Kasse zu Kasse verschieden und unterliegt kontinuierlichem Wandel. Per Ende 2021 legten Vorsorgeeinrichtungen ihr Geld im Durchschnitt zu je rund 32 Prozent in Obligationen und Aktien sowie 22 Prozent in Immobilien an. Der Anteil alternativer Anlagen lag bei über neun Prozent und hat über die letzten Jahre zugenommen. Zwei bisher in den alternativen Anlagen geführte Anlageklassen können bei Bedarf neu separat und mit höherer Limite eingesetzt werden.
Zum einen kann seit mehr als einem Jahr jeder zehnte Franken in Infrastruktur investiert werden, womit etwa der Bau von Häfen, Windparks oder Mautstrassen finanziert werden. Interessant können solche langfristigen Anlagen unter anderem aufgrund eines stetigen Renditestroms sein, aber auch weil sie sich weniger wie börsengehandelte Aktien oder Obligationen verändern (Diversifikation). Zurzeit sind knapp zwei Prozent der 2. Säule-Gelder in Infrastruktur angelegt.
Zum anderen erlaubt der Bundesrat den Pensionskassen seit neuem, bis zu fünf Prozent des Vermögens in nichtkotierte schweizerische Anlagen zu platzieren. Damit wurde die angenommene Motion des früheren Ständerats Konrad Graber (Schaffung eines Zukunftsfonds) umgesetzt. Dahinter verbirgt sich die Absicht, innovative Technologien zu fördern, wobei die Geldempfänger in der Schweiz ansässig und tätig sein müssen. Exakte Zahlen über die Beliebtheit dieser Anlageklasse liegen noch nicht vor. Das gegenwärtige Engagement der Pensionskassen in Zukunftstechnologien dürfte aber mit der Lupe zu suchen sein.
Die Anlagestrategie wird auch von den Pensionsverpflichtungen und vom zur Verfügung stehenden Risikobudget beeinflusst. Der Anlagemix der Vorsorgekassen verändert sich also nicht nur aufgrund angepasster Gesetzesartikel. Ein sprunghafter Anstieg von Anlagen in Infrastruktur oder helvetische Technologien ist daher nicht zu erwarten, vielmehr eine langfristige Entwicklung, abgestützt auf sorgfältige Beratungen. Jedoch gilt der Grundsatz, sich nicht neuen Anlagemöglichkeiten zu verschliessen, sondern sich im Interesse der Versicherten damit auseinanderzusetzen.
Eine dritte junge Anlagemöglichkeit sind Kryptowährungen. Sie locken mit hohen Gewinnmöglichkeiten. Im Gegensatz zu traditionellen Währungen wird dieses digitale Geld nicht durch Zentralbanken emittiert und reguliert. Bis dato sind sie gesetzlich kaum geregelt. Sie werfen keine laufenden Erträge wie Zinsen oder Dividenden ab. Der Wert einer Kryptowährung entwickelt sich losgelöst von der Geld- und Fiskalpolitik, Inflation, Zinsdifferenzen oder dem Wirtschaftswachstum. Die Chancen gehen jedoch mit andersartigen Risiken einher. Das haben die jüngst beobachteten Kursschwankungen bei Bitcoin und Co. vor Augen geführt. Selbst zweistellige Tagesverluste oder -gewinne sind möglich. Eine klassische Funktion von Zahlungsmitteln, die stabile Wertaufbewahrung, kann so nur schwer gewährleistet werden.
Die Wertentwicklungen von Kryptowährungen haben sich – mit Ausnahme von Krypto-Derivaten (stable coins) – mehr und mehr derjenigen von Aktien angeglichen. Durch die über die Jahre ansteigende Korrelation nimmt der Diversifikationseffekt von Kryptowährungen tendenziell ab, was bei der Zusammenstellung des Gesamtportfolios berücksichtigt werden sollte.
Die eingesetzte Blockchain-Technologie mit dezentraler Struktur gilt prinzipiell als fälschungssicher. Jedoch bietet dies nicht notwendigerweise einen Schutz vor Diebstahl, wie Ereignisse der letzten Monate im Bereich Cybercrime aufzeigten. Kryptowährungen stehen ausserdem im Verdacht, die Umgehung von Sanktionen, wie etwa im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg, zu ermöglichen, oder zur Finanzierung illegaler Aktivitäten eingesetzt zu werden.
Des weiteren haben Kryptowährungen häufig einen sehr hohen Energieverbrauch. Von Pensionskassen wird zunehmend erwartet, das Vermögen klimafreundlich und nachhaltig anzulegen. Deshalb können diese Anlagen im Widerspruch zum Nachhaltigkeitsbekenntnis einer Pensionskasse stehen.
Kurzum: Pensionskassen sind gut beraten, sich mit neuen Anlagemöglichkeiten zu befassen, ohne gleich investieren zu müssen. Unabhängig davon, ob neue Anlageklassen und -chancen genutzt werden, sollte jede Pensionskasse ihre Anlagestrategie periodisch überprüfen und das Verhalten des Portfolios während Marktturbulenzen im Sinne eines Stresstestings beleuchten. Auch dies trägt zur Vorsorgesicherheit bei. Die allermeisten Pensionskassen stellen sich dieser Verantwortung.
Das Essay von Oliver Gmünder (Leiter Relationship Management) und Heinz B. Rothacher (Chief Executive Officer) ist am 5. Juni 2022 in der SonntagsZeitung sowie am 4. Juni 2022 in der Finanz und Wirtschaft erschienen.